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des gesamten Volkes würde es doch gewiss nicht geduldet haben, dass Vatermörder im Besitz der höchsten Gewalt wären und das Heiligtum des von dir erbauten Tempels betreten hätten. 116 Aber auch abgesehen von allem anderen, könnte dein Mörder, so lange der Caesar lebt, seiner Strafe entgehen? Deine Söhne sind weder so gottlos noch so thöricht, wie du glaubst, aber vielleicht sind sie unglücklicher, als es dir frommt. 117 Wenn du uns nun nichts zum Vorwurf machen und auch keine Nachstellungen gegen dein Leben entdecken kannst, was vermöchte dir dann eine so grosse Lasterhaftigkeit glaubwürdig erscheinen zu lassen? Unsere Mutter ist nun einmal nicht mehr. Aber ihr Unglück konnte uns nicht zu Schlechtigkeiten treiben, sondern nur zur Vorsicht mahnen. 118 Wir hätten nun zwar noch manches zu unserer Verteidigung anzuführen; doch wozu bedarf das einer Rechtfertigung, was nie begangen worden ist? Deshalb wollen wir im Angesichte des Caesars, des allmächtigen Gebieters und unseres gegenwärtigen Vermittlers, Frieden schliessen. 119 Wenn du, Vater, wieder eine liebevolle und von jedem Verdacht freie Gesinnung gegen uns hegen kannst, so lass uns das Leben, mag es denn auch kein glückliches sein, da es immerhin hart ist, solcher Verbrechen, wenn auch fälschlich, beschuldigt zu werden. 120 Wenn du aber noch irgend eine Furcht hegst, so umgieb dich weiter mit Vorsichtsmassregeln, während wir uns damit begnügen, uns gerechtfertigt zu haben. Denn so lieb ist uns unser Leben nicht, dass wir es zum Schaden desjenigen uns erhalten sollten, der es uns gegeben hat.“

(4.) 121 Durch diese Rede wurde der Caesar, der auch schon vorher an die Wahrheit einer so schweren Beschuldigung nicht geglaubt hatte, noch mehr umgestimmt und blickte den Herodes, der auch seinerseits schon etwas gerührt war, unverwandt an. Auch alle übrigen Anwesenden zeigten aufrichtige Teilnahme für die jungen Leute, und im Saale erhob sich ein Murren des Unwillens gegen Herodes. 122 Die Anschuldigung erschien eben ganz

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Flavius Josephus: Jüdische Altertümer. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1899, Seite 386. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FlavJosAnt2GermanClementz.pdf/386&oldid=- (Version vom 12.12.2020)