Seite:FlavJosAnt2GermanClementz.pdf/536

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

eine so angenehme Art, sich zu bereichern, möchte ihnen schon so bald unmöglich gemacht werden. 177 Diese Gesinnung des Tiberius ward durch seine Handlungsweise bestätigt, da er während seiner zweiundzwanzigjährigen Regierung den Juden nur zwei Landpfleger schickte, nämlich Gratus und dessen Nachfolger Pilatus. 178 So verfuhr er aber nicht nur bei den Juden, sondern bei allen seinen Unterthanen. Auch die Gefangenen verhörte er, wie er sagte, immer deshalb erst so spät, damit sie nicht durch schnelle Hinrichtung von ihrer Haft befreit würden, was sie als Verbrecher gar nicht verdient hätten, sondern damit ihre quälende Ungewissheit während des langen Kerkeraufenthaltes noch gesteigert würde.

(6.) 179 Aus diesem Grunde also wurde auch Eutychus nicht zum Verhör vorgeführt, sondern blieb im Gefängnis. Einige Zeit später kam Tiberius von Capreae nach Tusculanum, das ungefähr hundert Stadien von Rom entfernt liegt, und nun bat Agrippa die Antonia, sie möge doch dahin wirken, dass Eutychus endlich in betreff der gegen ihn vorgebrachten Anklagen verhört werde. 180 Antonia stand nämlich bei Tiberius in hohem Ansehen, teils weil er mit ihr verwandt war (sie war die Gattin seines verstorbenen Bruders), teils wegen ihrer Keuschheit, da sie ungeachtet ihres blühenden Alters Witwe blieb, trotz des Augustus Zureden das Eingehen einer zweiten Ehe verweigert hatte und ihren Lebenswandel von jedem Vorwurf rein bewahrte. 181 Dazu kam noch, dass sie durch eine besondere Gefälligkeit sich den Tiberius zu grösstem Dank verpflichtet hatte. Sejanus nämlich, ein Freund ihres verstorbenen Gatten und als Befehlshaber der Praetorianer[1] der einflussreichste Mann jener Zeit, hatte eine Verschwörung angestiftet, an der sich viele Senatoren mit ihren Freigelassenen beteiligten und für die auch das Heer gewonnen war. Die Verschwörung hatte also schon weite Kreise ergriffen, und es fehlte nicht viel, so wäre dem Sejanus sein Anschlag

Empfohlene Zitierweise:
Flavius Josephus: Jüdische Altertümer. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1899, Seite 536. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FlavJosAnt2GermanClementz.pdf/536&oldid=- (Version vom 13.12.2020)
  1. Der Leibwache der Caesaren.