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dem Zeichen vertrauen, das die Götter ihm kundthun würden, als seinem eigenen Willen. 212 Er beschloss daher, denjenigen zu seinem Nachfolger zu ernennen, der am folgenden Tage zuerst zu ihm kommen würde. Indem er so überlegte, schickte er dem Erzieher seines Enkels den Befehl, den jungen Mann beim Morgengrauen zu ihm zu bringen, und hoffte, die Gottheit werde diesem alsdann den Thron zuerkennen. Es kam jedoch ganz anders, als er gedacht hatte. 213 Sobald es nämlich Tag wurde, befahl er dem Evodus, den Jüngling, der zuerst da sei, hereinzuführen. Evodus ging also hinaus und fand den Gajus vor der Thür. Tiberius nämlich war noch nicht erschienen, weil er sein Frühstück zu spät erhalten hatte, und da Evodus nicht wusste, was sein Herr vorhatte, sagte er: „Der Vater wünscht dich zu sehen,“ und führte ihn herein. 214 Als nun Tiberius den Gajus erblickte, erkannte er zunächst die Macht der Gottheit, vor der all seine eigene Macht in nichts zusammenschrumpfe, da er seinen Willen nicht mehr durchzusetzen vermöge. Dann beklagte er sowohl sich selbst, weil er einen so lange gehegten Wunsch nicht in Erfüllung gehen sah, als auch seinen Enkel Tiberius, der nun nicht nur um seine Anwartschaft auf den Thron gekommen sei, 215 sondern auch in Lebensgefahr schwebe, da seine Sicherheit jetzt von Mächtigeren abhänge, die ihn wohl nicht neben sich dulden würden. Die Verwandtschaft nämlich, so überlegte er weiter, könne ihm dabei wenig helfen, da er dem Machthaber ein Dorn im Auge sein werde, teils weil er das nächste Anrecht auf den Thron habe, teils weil er sich um seiner eigenen Sicherheit willen oder aus Herrschbegierde von Nachstellungen gegen den Caesar wohl nicht fernhalten würde. 216 Nun gab Tiberius sehr viel auf Vorbedeutungen und richtete sich in seinem Leben mehr danach als sonst jemand, der an dergleichen glaubte. So hatte er auch einmal, als er den Galba daherkommen sah, zu einigen seiner Vertrauten gesagt, das sei der Mann, der einst den römischen Caesarenthron besteigen werde. 217 Da

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Flavius Josephus: Jüdische Altertümer. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1899, Seite 542. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FlavJosAnt2GermanClementz.pdf/542&oldid=- (Version vom 13.12.2020)