Seite:FlavJosAnt2GermanClementz.pdf/543

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

er also mehr wie andere Herrscher an alles glaubte, was nur den Schein einer Vorbedeutung an sich trug, weil ihn manchmal solche Dinge nicht getäuscht hatten, so richtete er sich auch in der Regierung danach. 218 Er geriet deshalb in grosse Angst wegen des Vorgefallenen, zeigte sich von Schmerz ergriffen, als ob sein Enkel schon ermordet wäre, und klagte sich selbst an, weil er in übergrosser Sorge um die Zukunft sich der Vorbedeutung bedient habe, während er doch sorgenfrei hätte sterben können, wenn er den Schleier, der die kommenden Ereignisse verhüllte, nicht gelüftet haben würde. Nun aber quäle ihn der Gedanke, dass er bei seinem Tode all das Leid voraussehen müsse, welches seinen Lieben bevorstehe. 219 So sehr es ihm aber auch zu Herzen ging, dass sein Nachfolger ein anderer sein sollte, als er sich gewünscht hatte, sprach er doch zu Gajus, allerdings mit innerem Widerstreben: „Mein Sohn, obwohl Tiberius mir verwandtschaftlich näher steht als du, so lege ich doch in deine Hände nach eigenem Entschluss und mit Zustimmung der Götter die Zügel der römischen Herrschaft. 220 Nur bitte und beschwöre ich dich, auf dem Throne weder meine Güte, die dich zu so hoher Würde erhoben hat, noch deine Verwandtschaft mit Tiberius zu vergessen. 221 Sei vielmehr eingedenk, dass ich mit Wissen und Willen der Götter dir eine so grosse Wohlthat erwiesen habe, und vergilt mir diese meine Liebe, indem du mit Tiberius gute Beziehungen unterhältst. Bedenke ausserdem, dass Tiberius, so lange er lebt, eine mächtige Schutzwehr deiner persönlichen Sicherheit und deines Thrones sein, dass dagegen sein Tod für dich nur die Quelle grossen Unheils bilden wird. 222 Gefährlich ist ja eine einsame Stellung auf solcher Höhe, und die Götter werden es nicht ungestraft lassen, wenn durch ungerechte Handlungen das Gesetz, welches uns das Gegenteil vorschreibt, verletzt wird.“ 223 So sprach Tiberius, ohne jedoch auf Gajus Eindruck zu machen. Zwar gelobte dieser, nach seinem Wunsche handeln zu wollen; kaum aber war er

Empfohlene Zitierweise:
Flavius Josephus: Jüdische Altertümer. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1899, Seite 543. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FlavJosAnt2GermanClementz.pdf/543&oldid=- (Version vom 13.12.2020)