Warum bist du so lustig Kerl, schrie er ingrimmig, das ist noch das Langweiligste an diesem langweiligen Leben, daß während man sich für sein vieles Geld wie ein Mops ennüyirt, man so viel lustiges Lumpenpack um sich herum sehen muß. Aber nicht wahr, du bist blos lustig, weil du endlich deinen Zweck erreicht und auf dem verdammten, harten, wackelichten Bedientensitz dort oben, im Chausseestaub und Hitze kennen gelernt hast was lange Weile heißt?
Nein Herr, sagte Junior und legte, scheinbar plötzlich traurig werdend, Messer und Gabel nieder; es ist doch etwas Langweiliges, wenn man, so wie ich, beim Reisen eine Absicht hat. Ihr würdet Euch gewiß auch nicht so sehr langweilen, wenn Ihr nicht die Absicht hättet, Euch zu amüsiren. Jetzt ist’s vorbei mit dem Spaß bei mir, denn die lange Weile habe ich noch immer nicht kennen gelernt, weder auf dem Kutschbock noch hier bei der Pastete. Aber Herr, wenn auch nicht für die lange Weile und auch nicht fürs Plaisir, so doch um den Hunger zu stillen, erlaubt Ihr wohl, daß ich die Kleinigkeit da zu mir nehme, setzte er lachend hinzu.
Bursche schrie der Lord, kirschbraun vor Wuth im Gesichte, du wagst es, dich in meinem Dienste nicht zu langweilen, und verlangst dann noch daß ich dich ausgefressenen Schlingel mit Repphühner-Pasteten mästen soll! und damit begann er Juniors Rücken auf das Nachdrücklichste mit seinem spanischen Rohre zu bearbeiten.
Hoho meint Ihr so! rief Junior, nun das ist auch lustig zu seiner Zeit und macht besonders Appetit wenn man’s kurz vor Tisch treibt. Im Nu hatte er den dicken Lord gepackt, zu Boden geworfen und mit dem rasch entrissenen Stocke einigemale sehr unsanft berührt, als die andern Bedienten endlich herbeikamen und – so mannhaft Junior sich wehrte, er wurde überwältigt, und es wäre ihm gewiß schlimm ergangen, wenn nicht der noch am Boden liegende Lord gerufen hätte, sie sollten den Junior in Frieden lassen und ihn wieder auf die Beine stellen.
Das sei ein braver Bursche, sagte er, so geschickt hätte noch kein Boxer von Alt-England ihn zu Boden gestreckt, und als Seine Lordschaft mit vieler Mühe wieder aufgerichtet war, umarmte er den Junior, ließ ihm eine Flasche Burgunder zu seiner Pastete reichen, und sagte, jetzt solle er nicht mehr auf dem Bedientensitz, sondern ihm gegenüber im Innern des Wagens Platz nehmen, da hoffte er würde er sich doch auch mit der Zeit langweilen.
Lord Nothingnix war nun in der That ein langweiliger Reisegesellschafter, da aber Junior beharrlich sein Schlafen fortsetzte, war das nur alle halbe Stunden von einem Jähs! unterbrochene Schweigen seines Herrn, durchaus nach seinem Wunsche. Ueberhaupt konnte es gar keine besser zusammenpassendere Reisegesellschaft geben, als die Beiden waren, denn der Lord that alles was Junior wollte, in der Hoffnung es würde ihn unterhalten, und dieser ahmte alle Handlungen seines Herrn nach, weil er wünschte, es möge ihn langweilen.
Jetzt kamen sie am Ende eines Waldes über einen freien Platz; da hielten die Bewohner des nächsten Dorfes einen Tanz, weil gestern glücklich und reichlich die Erndte beendet war. Augenblicklich erwachte Junior vom Schalle der Musik, befahl dem Kutscher zu halten, und hinein unter die Leute! — — das war eine Lust nach dem langen Sitzen und Schlafen; erst ein frischer Trunk guten kühlen Weines und dann das hübscheste Mädel im Arm, und herum gings im Kreise, daß die kurzen Röcke und langen Zöpfe flogen.
Wie gerne tanzten die Mädchen mit dem schmucken roth-backigen Junior, der prächtig aussah in seinem goldbetreßten Rothrocke, und die Bursche wurden doch auch nicht neidisch, und tranken gerne mit ihm, denn er war zu lustig, daß man gar nicht aus dem Lachen herauskam, und Geld kriegten der Wirth und die Spielleute mehr als sie begehrten. Eine Weile versuchte der dicke Lord es auch so zu treiben, aber schon nach einigen Minuten standen ihm die dicken Schweißtropfen vor der Stirne, denn er hatte unglücklicher Weise ein eben so muthwilliges als handfestes Mädchen zur Tänzerin erwählt, die ihn, als er nach einer Tour austreten wollte, festhielt, und unter schallendem Gelächter aller Anwesenden den dicken Herrn mit sich herum drehte bis sie selbst vor Lachen kaum mehr schnauben konnte. Todtmatt warf sich Lord Nothingnix unter einen Baum auf das Gras nieder und als Junior ihm ein Glas Wein reichte und fragte: Herr, heißt das
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 1). Braun & Schneider, München 1845, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_1.djvu/184&oldid=- (Version vom 2.4.2020)