O gold’ner Frühlingsmorgenschein – –
Wie freudig funkelt die Sonne d’rein!
Wie winkt es vom Gebirge her
So wonnebang, so sehnsuchtsschwer!
Was fesselt mich noch an die düst’re Stadt?
Noch ist die Welt vernagelt nicht mit Brettern;
Wohlan – ich bin der dumpfen Mauern satt.
Die Pinsel ausgepackt; zur Hand die Mappe,
So wand’re ich im frohen Trappe
Der duft’gen Ferne zu, Berg auf, Thal ab!
Umschwebe mich, holdsel’ge Frau,
Du Poesie, die ich stets liebt’ im Stillen,
Die Schöpfung bei dem rechten Licht’ beschau;
Daß ich den Geist, der in ihr haust,
Vermag so recht herauszuwühlen,
Daß mir’s gelingt, wie Meister Göthe’s Faust,
Und spür’ ich dann den Geist recht vehement,
Laß mich den Augenblick beim Schopfe fassen:
Die schwerste Kunst ist, den Moment
Nicht unbenützt vorübergehen lassen. –
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 1). Braun & Schneider, München 1845, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_1.djvu/24&oldid=- (Version vom 31.7.2018)