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Der gute Mond.



Guter Mond du gehst so stille
In den Abendwolken hin.
Bist so ruhig, und ich fühle
Daß ich ohne Ruhe bin.

5
Traurig folgen meine Blicke

Deiner stillen heitern Bahn;
O wie hart ist das Geschicke,
Daß ich dir nicht folgen kann.



Guter Mond dir kann ich's sagen,

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Was mein banges Herze kränkt,

Und was unter bitterm Zagen
Die betrübte Seele denkt.
Guter Mond, du kannst es wissen,
Weil du so verschwiegen bist,

15
Warum meine Thränen fließen,

Und mein Herz so traurig ist.



Dort in einem kleinen Thale,
Wo viel junge Bäume steh'n,
Nah bei einem Wasserfalle,

20
Wirst du eine Hütte seh'n.

Geh' durch Felder, Bäch' und Wiesen,
Blicke sanft ans Fenster hin:
Dort erblickest du Elisen,
Aller Mädchen Königin.



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Mond, du Freund der reinsten Triebe,

Schleich dich in ihr Zimmer ein;
Sag es ihr, daß ich sie liebe,
Und daß sie nur ganz allein
Mein Vergnügen, meine Freude,

30
Meine Lust, mein Alles ist;

Daß ich auch mit ihr dann leide,
Wenn ihr Aug' in Thränen fließt.

Empfohlene Zitierweise:
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 1). Braun & Schneider, München 1845, Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_1.djvu/58&oldid=- (Version vom 1.8.2018)