Seite:Fränkische Blätter nebst dem Beiblatt Der Nürnberger Trichter.djvu/105

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Hermann Wimmer (Red.): Der Nürnberger Trichter

Nr. 2. Beiblatt zu den Fränkischen Blättern. 1848.


Klassischer Liebesbrief.

Stockach. –     

Tiefgeliebtes Wesen! In vierzehn Tagen bin ich wieder Dein Viecunteroffizier, wie Du mich schon früher ganz kennen lerntest, denn awangsirt bin ich gar nicht, ist auch unnöthig, da mich Deine Liebe schon glücklich macht. Wer so ’ne Liebe hat, wie Du, der kann stolz drauf sein und sich mit jeder Offiziersfrau messen, und desderwegen freue ich mich auch so über Dich, als wenn ich selber Hauptmann wäre.

Uebrigens kann Dir das auch nicht ganz wie Flederwisch vorkommen, daß Du einen Helden zum Anbeter hast, der die deutsche Revoluzion mit beilegte, denn der Hecker ist schon lange nicht mehr hier, sondern in einer Landschaft bei Basel, wo er sich jetzt als provisorische Regierung gegen mich und die übrigen Soldaten zurückzieht. Es ist gut, daß Du nicht meine Laufbahn mitmachtest, wie Du erst beabgesichtigt hast, denn Du hättest Dich jedenfalls mit Deinem Geschmack für Helden in den Hecker verscharmerirt, so ein Räuberhauptmann ist das, Donnerwetter Portepö! Schobri ist Quark dagegen. Hätte er Dich wieder geliebt, was ich indeß nicht glaube, weil er für einen andern Gegenstand schwärmt, dann hättest Du mich als Republikaner mit in den Abgrund gezogen, unglückliches kommunistisches Wesen!

Leider bin ich selbst etwas angestochen von der Republik auf breitester demagogischer Unterlage, aber ich glaube, die Deutschen und die Pommern sind noch nicht alle so reif wie ich und Du, und allenfalls mein Leitmann, so heißen hier die Leutnants, und darum möchte ich, daß es jetzt beim Alten bleibt, gerade wie mein Feldwebel es wünscht. Etwas lasse ich mir schon gefallen, wie zum Exempel, daß wir jetzt mit Sie angeredet werden, daß wir die doppelte Löhnung bekommen sollen, aber wenn der Fortschritt so weit geht, daß man uns gar nicht mehr respektiren will, dann werde ich wichsig und habe nicht viel Fasong, wie Du aus Erfahrung weißt, wiewohl immer noch etwas mehr wie Du, denn wenn Du einmal wichsig wirst, dann bist Du abscheulich!

     Nachschrift.

Engelsgleiche Magdalene, vergieb mir das Abscheulich, wie ich Dir Deine Abscheulichkeit nie übelnehme. Ich halte es gar nicht mehr aus, bis ich wieder bei Dir bin. Wenn nur der Hecker nicht wieder einen Einfall gegen die Volkssouveränetät macht!

Dein Held, der Vice.     
Empfohlene Zitierweise:
Hermann Wimmer (Red.): Der Nürnberger Trichter. Friedrich Campe, Nürnberg 1848, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fr%C3%A4nkische_Bl%C3%A4tter_nebst_dem_Beiblatt_Der_N%C3%BCrnberger_Trichter.djvu/105&oldid=- (Version vom 31.7.2018)