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Seite:Fränkische Blätter nebst dem Beiblatt Der Nürnberger Trichter.djvu/146

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In diesem Augenblick und in dieser Stellung mußte er leider! niesen; denn er hatte den Schnupfen und zwar den Stockschnupfen. Schauerlich wie Wehruf hallte der Ton seiner gerötheten Nase durch die Säulen des sehr hohen gothischen Saales, den herrliche Gemälde schmückten und unzählige Gasflammen erhellten.

„Du bist des Todes schuldig!“ schnaubte der Ritter vom Kopfe des Todten mit Tiger-Wildheit den immer mehr und mehr erblassenden Knappen und Greis an. „Warum hast Du geniest?“

„Gnade, Gnade!“ stammelte der Halbohnmächtige.

„Nichts von Gnad’!“ schäumte Jener, die Stirn fürchterlich runzelnd. „Du hast geniest, Du mußt sterben!“

„Ach, Barmherzigkeit, edler Herr! Bedenkt meine arme Frau und sieben ungezogene Kinder, von denen mir bereits vier in die schöne Ewigkeit vorausgegangen!“

„Nichts von Barmherzigkeit! Morgen wirst Du gehangen, die morsche Hülle Deiner unsterblichen Seele gehört den Raben!“

Hohnlachend verließ der Ritter vom Kopfe des Todten den sehr hohen gothischen Saal und den außerordentlich unglücklichen Greis und Familienvater, begab sich, vor Verruchtheit ein Kirchenlied trällernd, in sein Gemach des Schlafes, wo er mit dem wohlbeleibten Burgpfaffen noch einige Schoppen Wein trank und sich dann in die Arme des Schlummers warf.


2.

Mitternacht war längst vorüber, als Conrad aus der Erstarrung erwachte, welcher er in Betrachtung seines nahen Todes erlegen war. Auf den Zehen schlich er sich aus dem Saale, über eine lange Gallerie bis zu seiner geliebten Ehegattin, die schon lange, mit der Haube des Schlafes bekleidet und von den Enkeln ihrer Mutter umringt, in den weichen Kissen lag. Leise nahte er ihr und rief noch ein wenig leiser ihren Namen. Als sie aber nicht sogleich erwachte, so zog er gefühlvoll sein schartiges Schwert und kitzelte sie, zwar mit Grazie, doch wehmüthig-seufzend und ganze Bäche von Thränen vergießend, an der edelgeformten griechischen Nase dort, wo die ewige Vorsehung diesen Theil des menschlichen Körpers mit zwei holden Oeffnungen versehen hat.

„Donnerwetter!“ lispelte verschämt die greise Knappin.

„Erwache, edelste der Frauen, erwache!“

„Was ist los? Wer stört mich in den sanften Umarmungen des Morpheus?“

„Ich bin’s," hauchte der unglückliche Knappe und glückliche Familienvater, während er anfing, die schloßweißen Haare seines Bartes einzeln auszureißen. Er setzte diese Beschäftigung ungefähr zwei bis drei Stunden fort und hatte unterdessen Zeit genug, seiner Frau zu erzählen, daß er morgen etwas erleben werde, was der Gesundheit sehr nachtheilig sei.

„Das heißt mit andern Worten?“

„Ich werde gehängt werden, mein Schatz!“

Die Frau faßte sich wie alle Frauen schnell. „Kopf des Schafes,“ flüsterte sie mit liebender Stimme, „Du hängen? Nein, das wird, das soll, das darf nicht geschehn. Aber,“ fuhr sie mit hohlem Grabestone fort, „einen Mord soll es geben, gräßlich wie der Gedanke, der ihn ausgebrütet, … vernimm, der Ritter vom Todtenkopfe, unser gnädigster Herr, muß sterben. Ich habe es beschlossen, um Dich zu retten.“

„Sterben!“ hallte Conrad, der keinen Bart mehr hatte, als langes Echo spottend nach.

„Und nun fahr’ hin, lahmherzige Gelassenheit!“ donnerte Madame Conrad, aus dem Bett springend. „O, könnt’ ich den Ocean vergiften, daß sie den Tod aus tausend Quellen saufen! Hin, die andern Knappen und Verschworenen zu wecken! Es gehe der Mord an sein entsetzliches Geschäft!“

Die Familie Conrad forderte hierauf Arm in Arm das Jahrhundert in die Schranken. Die übrigen Knappen waren völlig damit einverstanden, den Herrn, der sehr guten Wein im Keller hatte, zu tödten. Der Meister des Stalles, der sich ihrem löblichen Beginnen widersetzen wollte, wurde mit einer Axt des Streites – nach Andern mit einem Morgen des Sternes – niedergehauen, worauf er sogleich

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Kauffer (Red.): Der Nürnberger Trichter. Friedrich Campe, Nürnberg 1848, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fr%C3%A4nkische_Bl%C3%A4tter_nebst_dem_Beiblatt_Der_N%C3%BCrnberger_Trichter.djvu/146&oldid=- (Version vom 31.7.2018)