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Fragmente aus dem Tagebuche eines reisenden Neu-Franken: Fragmente aus dem Tagebuche eines reisenden Neu-Franken (1798)

andere Sachen denken? Daher giebt es hier keinen einzigen Buchladen, und Herr Heyer liefert aus Gießen dasjenige, was 2 oder 3 Herrn kaufen. Die übrige Trödelwaare schmuggeln die hiesigen Juden ein. Darum giebt es hier keine Lesegesellschaften und keine Lesebibliothek von Bedeutung. Es trat zwar vor einigen Jahren einmahl ein Mann auf, der berechnet hatte, daß hier eine der elegantesten Lesegesellschaften existiren könnte, und that den Vorschlag dazu, allein er fand keine Unterstützung. Der Assessor fand es unter seiner Würde sich so weit herabzulassen und der Advokat und Prokurator durfte es nicht wagen, sich zu ihm hinauf zu drängen. Das einzige, worinn man nicht zurück bleibt, ist die Kleiderpracht, die sich selbst bis auf die Töchter der ärmsten Advokaten und Canzeley-Personen erstreckt. Diese tragen die feinsten Chemisen von Mousselin und Taffet, und darunter die lumpigste Wäsche. Durch diese Aemulation der ärmern Klasse mit den hiesigen reichen Häusern ist manche Familie selbst an den Bettelstab gekommen. Ich könnte dir sogar Frauenzimmer nennen, die durchaus mit ihrer Börse brouillirt sind, und doch das Modejournal studieren, und mit der neuesten Tracht im Publikum erscheinen. Man weiß sie hier mit Fingern auszudeuten. Häuser die jährlich 400 Thl. einzunehmen haben, verwenden 300 davon auf den Putz ihrer