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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

Er stellte sich unwissend. „Was hat sie denn gesagt, Jungfer?“

„Ich mag’s nicht wiederholen, und wenn Ihr’s vergessen habt, um so besser für Euch und mich!“

In seinem wampigen Gesicht zuckte eine lüsterne Falte. „Ich vergesse alles, was ich vergessen soll, Jungfer Darthe,“ sagte er grinsend, „ich bin überhaupt ein gutgearteter Mensch. Ihr müßtet mich besser kennen lernen.“

Wohlgefällig blickte er auf das Mädchen. Dann umfaßte er sie und stampfte im Polkatakt rund um den grünen Platz. Heiß wehte sein Atem, und fest drückte er sie an sich. Es war ein behäbiges langatmiges Tanzen. Wieder paßten die Tänzer nicht zusammen. Viermal ging’s um den ganzen Platz. Mutter Greetsches Augen leuchteten vor Stolz.

Die Wiese füllte sich mit neuen Paaren. Ringsum auf den Bänken saßen die Wirtsfrauen und Mütter, die Mädchen drängten sich kichernd zusammen wie eine Herde Lämmer. Mit heraus­fordernden Blicken stampften die Burschen zu zweien oder dreien auf und nieder, sie schossen wie Schäferhunde in das dichteste Gewühl, trieben die Mädchen aus ihren Ecken und holten sie triumphierend hervor.

Gemessen und beinahe andachtsvoll bewegten sich die Paare. Sie tanzten mit sachlichem Ernst und gesenkten Augenlidern, selten flog ein Lächeln über ihre Züge.

Allmählich wurde die Stimmung ungebundener. Man hörte johlende Rufe, Lachen und Kreischen. Immer wieder leuchtete

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 239. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/235&oldid=- (Version vom 1.8.2018)