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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

„Hoch ... hoch! Nieder ... nieder! – Dem lettischen Zentralkomitee ... den Deutschen ... hoch! nieder!“ heulte es wie ein wühlender Sturm durch die Masse. Sie hoben die Hände hoch, sie brüllten, sie johlten, die Weiber kreischten laut – ihre Wangen brannten, ihre Augen glühten.

Der Dumpje-Wirt war der Held des Tages. Was wollte neben ihm Grendsche-Jehkab mit seiner improvisierten Verlobung bedeuten? Er war einfach nicht mehr da. Vergessen. Ausgewischt.

Und der Jubel erreichte seinen Höhepunkt, als der Dumpje-Wirt noch einmal auf die Bank stieg und schrie.

„Einige Brüder und Genossen! Ich setze euch aus meiner Tasche 4 Tonnen Bier und ein Faß Branntwein! Die Keller der Deutschen werden uns bald bessere Getränke liefern. Dann fließt Wein und Champagner – heute aber nehmt vorlieb, Brüder,- ein Lump, der mehr gibt, als er hat!“

„Hurra dem Dumpje-Wirt! Hurra! Hoch! Hoch! Es lebe der Dumpje-Wirt! Der Dumpje-Wirt hoch!“ brüllten hundert heisere Kehlen.

Ein ungeheurer Jubel hatte sich der lettischen Genossen be­mächtigt.

Bleich mit verzerrtem Gesicht stand Grendsche-Jehkab da. Auf seinen blassen Wangen brannten zwei kreisrunde rote Flecke. Seine Lippen zuckten -- der Dumpje-Wirt hatte ihn öffentlich beschimpft! Angstvoll umklammerte Darthe seinen Arm. Rauh stieß er sie zurück.

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 246. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/242&oldid=- (Version vom 1.8.2018)