Fleiß ihren Lohn findet, und wo Euern Kindern kein Privilegium eines andern im Wege steht, das höchste Ziel zu erreichen. Nun denn, wollt Ihr, daß die Union nicht ein Land der schmählichsten Unterdrückung für den Arbeiter werde, viel schlimmer als die bedrückten Länder Europa’s, so schließt Euch nicht der unheilvollen Partei an, welche den Landeigenthümern des Südens die Herrschaft über die Union in die Hände geben will.
Wißt Ihr auch, was diese Sklavenhalter-Aristokratie will? – Ihr glaubt vielleicht, sie kämpfe nur für den Besitz ihrer Sklaven? Die Sklavenhalter des Südens kämpfen für das alte Privilegium der Landbesitzer, den Arbeiter, sei er weiß oder schwarz, zum Werkzeuge seiner Macht, seines Genusses und seiner Arroganz zu machen. Der Arbeiter soll die ganze Last des Staates tragen, aber keine Rechte in demselben haben. Er soll gehorchen, der Reiche allein soll herrschen. Hört, was die Führer der Secession sagen:
„Kein Staat kann bestehen, in dem die Arbeiterklasse politische Rechte hat. Die Besitzer des Bodens und des Capitals müssen allein regieren und die Herren der Arbeitskräfte sein;“
und – prägt es Euch ein:
„Das Capital hat ein inwohnendes Recht, Arbeit (das heißt den Arbeiter) als Eigenthum zu besitzen.“
Wollt Ihr, daß eine solche Herrschaft über Euch errichtet werde, so stimmt für McClellan. Wollt Ihr gleichberechtigte Bürger eines freien Landes bleiben, so stimmt für Lincoln, der war, was Ihr seid, ein ehrlicher Arbeiter.
Ein anderer Theil der Convention zu Chicago bestand aus denen, die zu glauben scheinen, daß Alles abgemacht ist, wenn man nur aus vollem Halse schreit: „Constitution! Constitution!“
Wir kennen die Constitution so gut wie jene Herren, und achten sie höher wie uns scheint; denn es ist wohl zu bemerken, daß die sogenannte demokratische Partei in den letzten Jahren immer die Constitution bei Seite gesetzt hat, wenn es ihr Vortheil zu bringen schien. War die Nullification etwa constitutionell? War es constitutionell, wenn Douglas kurz vor der letzten Präsidentenwahl dem Süden[1] versprach, für ein Gesetz zu stimmen, nach welchem jede Discussion der Sklaverei mit schwerer Strafe belegt werden sollte? War es constitutionell, daß zwanzig Jahre lang und vielleicht mehr, die Briefsäcke im Süden aufgerissen wurden, um zu sehen, ob nicht Abolitionssachen darin seien? War es constitutionell, daß man das Recht der Petition verweigerte? Ist Secession constitutionell? Ist es der Constitution gemäß, daß die Chicago Leute behaupten, der Präsident habe das Recht und die Pflicht, einen Staat zu entlassen, wenn dieser es fordert? Ist es constitutionell, zu behaupten, daß Secession zu den „reservirten Rechten der Staaten“ gehöre? Ist es constitutionell, zu proklamiren, daß unser ganzes Staatengebäude nur für eine Klasse von Menschen bestehe, – eine Classe, die durch die Hautfarbe bestimmt ist? Die alten Heiden hatten eine höhere Ansicht vom Staate und den Pflichten der Regierung. Ist es constitutionell, unsere ganze Regierung als eine bloße Conföderation oder League zu schildern – die armseligste aller Regierungen?
Wir halten die Constitution in hohen Ehren, aber sie ist kein Gott. Das Land, die Nation, die Freiheit, die wir lieben – die stehen alle weit über der Constitution, und was nie vergessen werden muß, die Rebellion des Südens hat einen Zustand hervorgebracht, für welchen die Constitution nie berechnet war und nicht berechnet werden konnte. Sollen wir denn die Hände in den Schooß legen, wie Präsident Buchanan es that und erklären: Ich kann nichts thun, das Land zu retten, denn die Constitution gibt nicht an, wie ich es thun soll? – So lautete der Bericht seines General-Anwalts der Ver. Staaten. Gott behüte!
- ↑ Vorlage: Sünden
Franz Lieber: Lincoln oder McClellan?. [s. n.], New York [1864], Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Franz_Lieber-Lincoln_oder_McClellan.djvu/3&oldid=- (Version vom 31.7.2018)