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Sigmund Freud: Eine Teufelsneurose im Siebzehnten Jahrhundert. In: Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften, 9. Bd., H. 1, S. 1-34

Beide sollen zur Zeit der Abfassung des Trophaeum im Archiv von Mariazell im Original vorhanden gewesen sein, beide tragen die nämliche Jahreszahl 1669.

Ich habe die beiden Verschreibungen bereits mehrmals erwähnt und unternehme es jetzt, mich eingehender mit ihnen zu beschäftigen, obwohl gerade hier die Gefahr, Kleinigkeiten zu überschätzen, besonders drohend erscheint.

Die Tatsache, daß sich einer dem Teufel zweimal verschreibt, so daß die erste Schrift durch die zweite ersetzt wird, ohne aber ihre eigene Gültigkeit zu verlieren, ist ungewöhnlich. Vielleicht befremdet sie andere weniger, die mit dem Teufelsstoff vertrauter sind. Ich konnte nur eine besondere Eigentümlichkeit unseres Falles darin sehen und wurde mißtrauisch, als ich fand, daß die Berichte gerade in diesem Punkt nicht zusammenstimmen. Die Verfolgung dieser Widersprüche wird uns in unerwarteter Weise zu einem tieferen Verständnis der Krankengeschichte leiten.

Das Geleitschreiben des Pfarrers von Pottenbrunn weist die einfachsten und klarsten Verhältnisse auf. In ihm ist nur von einer Verschreibung die Rede, die der Maler vor neun Jahren mit Blut gefertigt, und die nun in den nächsten Tagen, am 24. Sept. fällig wird, sie wäre also am 24. Sept. 1668 ausgestellt worden; leider ist diese Jahreszahl, die sich mit Sicherheit ableiten läßt, nicht ausdrücklich genannt.

Der Attest des Abtes Franziscus, wie wir wissen, wenige Tage später datiert (12. Sept. 1677), erwähnt bereits einen komplizierteren Sachverhalt. Es liegt nahe anzunehmen, daß der Maler inzwischen genauere Mitteilungen gemacht hatte. In diesem Attest wird erzählt, daß der Maler zwei Verschreibungen von sich gegeben, die eine im Jahre 1668 (wie es auch nach dem Geleitbrief sein müßte) mit schwarzer Tinte geschrieben, die andere aber sequenti anno 1669 mit Blut geschrieben. Die Verschreibung, die er am Tage Mariä Geburt zurückbekam, war die mit Blut geschriebene, also die spätere, 1669 ausgestellte. Dies geht nicht aus dem Attest des Abtes hervor, denn dort heißt es im weiteren einfach: schedam redderet und schedam sibi porrigentem

Empfohlene Zitierweise:
Sigmund Freud: Eine Teufelsneurose im Siebzehnten Jahrhundert. In: Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften, 9. Bd., H. 1, S. 1-34. Internationaler Psychoanalytischer Verlag, Leipzig und Wien 1923, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Freud_Imago_9-1.djvu/22&oldid=- (Version vom 1.8.2018)