Sigmund Freud: Eine Teufelsneurose im Siebzehnten Jahrhundert. In: Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften, 9. Bd., H. 1, S. 1-34 | |
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conspexisset, als ob es sich nur um ein einziges Schriftstück handeln könnte. Aber wohl folgt es aus dem weiteren Verlauf der Geschichte sowie aus dem farbigen Titelblatt des Trophaeum, wo auf dem Zettel, den der dämonische Drache hält, deutlich rote Schrift zusehen ist. Der weitere Verlauf ist, wie bereits erwähnt der, daß der Maler im Mai 1678 nach Mariazell wiederkehrt, nachdem er in Wien neuerliche Anfechtungen des Bösen erfahren, und das Ansuchen stellt, es möge ihm durch einen neuerlichen Gnadenakt der heiligen Mutter auch dies erste, mit Tinte geschriebene Dokument wiedergegeben werden. Auf welche Weise dies geschieht, wird nicht mehr so ausführlich wie das erstemal beschrieben. Es heißt nur quâ iuxta votum reddita und an anderer Stelle erzählt der Kompilator, daß gerade diese Verschreibung „zusammengeknäult und in vier Stücke zerrissen“ dem Maler am 9. Mai 1678 um die neunte Abendstunde vom Teufel zugeworfen wurde.
Die Verschreibungen tragen aber beide dasselbe Datum: Jahr 1669.
Dieser Widerspruch bedeutet entweder gar nichts oder er führt auf folgende Spur:
Wenn wir von der Darstellung des Abtes als der ausführlicheren ausgehen, ergeben sich mancherlei Schwierigkeiten. Als Chr. H. dem Pfarrer von Pottenbrunn bekannte, er sei in Teufelsnöten, der Termin laufe bald ab, kann er (im Jahre 1677) nur an die im Jahre 1668 ausgestellte Verschreibung gedacht haben, also an die erste, schwarze, (die im Geleitbrief allerdings einzig genannt und als die blutige bezeichnet wird). Wenige Tage später, in Mariazell, bekümmert er sich aber nur darum, die spätere, blutige, zurückzubekommen, die noch gar nicht fällig ist (1669–1677), und läßt die erste überfällig werden. Diese wird erst 1678, also im zehnten Jahr zurückerbeten. Ferner, warum sind beide Verschreibungen aus dem gleichen Jahr 1669 datiert, wenn die eine ausdrücklich „anno subsequenti“ zugeteilt ist?
Der Kompilator muß diese Schwierigkeiten verspürt haben, denn er macht einen Versuch sie zu beheben. In seiner Einleitung schließt er sich der Darstellung des Abtes an, modifiziert sie aber in einem Punkte. Der Maler, sagt er, habe sich im Jahre 1669 dem Teufel mit
Sigmund Freud: Eine Teufelsneurose im Siebzehnten Jahrhundert. In: Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften, 9. Bd., H. 1, S. 1-34. Internationaler Psychoanalytischer Verlag, Leipzig und Wien 1923, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Freud_Imago_9-1.djvu/23&oldid=- (Version vom 31.7.2018)