Sigmund Freud: Eine Teufelsneurose im Siebzehnten Jahrhundert. In: Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften, 9. Bd., H. 1, S. 1-34 | |
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mit schwarzer Tinte geschriebenen Verschreibung vor, der er es offenbar zuschreibt, daß er noch vom Teufel geplagt werden kann, erhält auch diese zurück und ist geheilt. Während dieses zweiten Aufenthaltes malt er die Bilder, die im Trophaeum kopiert sind, dann aber tut er etwas, was mit der Forderung der asketischen Phase seines Tagebuches zusammentrifft. Er geht zwar nicht in die Wüste, um Einsiedler zu werden, aber er tritt in den Orden der Barmherzigen Brüder ein: religiosus factus est.
Bei der Lektüre des Tagebuches gewinnen wir Verständnis für ein neues Stück des Zusammenhangs. Wir erinnern uns, daß der Maler sich dem Teufel verschrieben, weil er nach dem Tode des Vaters, verstimmt und arbeitsunfähig, Sorge hatte, seine Existenz zu erhalten. Diese Momente, Depression, Arbeitshemmung und Trauer um den Vater sind irgendwie, auf einfache oder kompliziertere Art miteinander verknüpft. Vielleicht waren die Erscheinungen des Teufels darum so überreichlich mit Brüsten ausgestattet, weil der Böse sein Nährvater werden sollte. Die Hoffnung erfüllte sich nicht, es ging ihm auch weiterhin schlecht, er konnte nicht ordentlich arbeiten oder er hatte kein Glück und fand nicht genug Arbeit. Der Geleitbrief des Pfarrers spricht von ihm als „hunc miserum omni auxilio destitutum“. Er war also nicht nur in moralischen Nöten, er litt auch materielle Not. In die Wiedergabe seiner späteren Visionen finden sich Bemerkungen eingestreut, die wie die Inhalte der erschauten Szenen zeigen, daß sich auch nach der erfolgreichen ersten Beschwörung daran nichts geändert hatte. Wir lernen einen Menschen kennen, der es zu nichts bringt, dem man auch darum kein Vertrauen schenkt. In der ersten Vision fragt ihn der Kavalier, was er eigentlich anfangen wolle, da sich niemand seiner annehme („dieweillen ich von iedermann izt verlassen, waß ich anfangen würde“). Die erste Reihe der Visionen in Wien entspricht durchaus den Wunschphantasien des Armen, nach Genuß Hungernden, Verkommenen: Herrliche Säle, Wohlleben, silbernes Tafelgeschirr und schöne Frauen; hier wird nachgeholt, was wir im Teufelsverhältnis vermißt haben. Damals bestand eine Melancholie, die ihn genußunfähig
Sigmund Freud: Eine Teufelsneurose im Siebzehnten Jahrhundert. In: Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften, 9. Bd., H. 1, S. 1-34. Internationaler Psychoanalytischer Verlag, Leipzig und Wien 1923, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Freud_Imago_9-1.djvu/31&oldid=- (Version vom 31.7.2018)