Händen des Kindes Spreu zusammengeballt war. Ich untersuchte die Spreu und fand, daß dieselbe mit der Spreu in der Scheune, auf der das Kind lag, identisch war. – Präs.: Durch diesen Umstand änderten Sie Ihre Meinung? – Zeuge: Jawohl, ich gewann dadurch die Ueberzeugung, daß, wenn vielleicht auch nicht die That in der Scheune begangen worden, der Knabe doch noch, als er in die Scheune gebracht wurde, gelebt haben muß. – Präs.: Woraus entnehmen Sie das? – Zeuge: weil ich die Ueberzeugung gewann, daß die Spreu noch bei Lebzeiten in die Hände des Kindes gekommen ist. – Präs.: Sie sind aber der Meinung, daß der Mord vielleicht trotzdem nicht in der Scheune ausgeführt ist? – Zeuge: Nach dem, was ich nachträglich von den Sachverständigen gehört, halte ich den Fundort für den Thatort. – Ein Geschworener: Halten Sie es für möglich, Herr Doktor, daß die That trotzdem nicht in der Scheune begangen, sondern der Knabe blos in der Scheune gestorben ist? – Verth. Rechtsanwalt Stapper: Wir können hier nicht mit Möglichkeiten rechnen. Wenn der Herr Doktor ein solches Gutachten abgeben soll, dann beantrage ich, demselben das Leichenbefunds-Protokoll, das Obduktions-Protokoll, das Gutachten des Medizinal-Kollegiums und die Kleidchen des Ermordeten vorzulegen. – Präs.: Ich werde alle diese Dinge dem Herrn Doktor übergeben und diesen ersuchen, sich zum Zwecke der Information in’s Richterzimmer zu begeben.
Während sich Dr. van Housen mit den erwähnten Protokollen in’s Richterzimmer begiebt, wird mit der Zeugenvernehmung fortgefahren. Es erscheint zunächst als Zeugin Frau Kips, geborene Schloeßer aus Neuß: Buschhoff habe im vergangenen Winter einmal vier Wochen mit seiner Familie im Hause ihrer Eltern gewohnt. Eines Morgens sei sie über den Hof gegangen und habe gesehen, wie Buschhoff seine Hände in die Höhe gestreckt und sich den Kopf gehalten habe. Sie habe sich gesagt, entweder ist der Mann verrückt oder er hat kein gutes Gewissen; später habe sie gehört, es sei das eine Manipulation, die die Juden beim Beten anwenden. – Präs.: Betete denn Buschhoff? – Zeugin: Das weiß ich nicht. – Präs.: Buschhoff, haben Sie einmal die Hände in die Höhe gehoben und sich den Kopf gehalten? – Buschhoff: Das ist möglich, Herr Präsident, ich hatte im vergangenen Winter bisweilen heftige Zahnschmerzen. –
Hugo Friedländer: Der Knabenmord in Xanten vor dem Schwurgericht zu Cleve vom 4. bis 14. Juli 1892. W. Startz, 1892 Cleve, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Der_Knabenmord_in_Xanten_(1892).djvu/117&oldid=- (Version vom 31.7.2018)