Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 1 (1910).djvu/133

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„summum jus summa injuria“. Ich halte es für unmöglich, daß der hohe Gerichtshof ein Urteil fällen wird, das dem Rechtsbewußtsein des ganzen deutschen Volkes widersprechen würde.

Verteidiger Rechtsanwalt Lenzmann: Ich bin in der Lage, mich kurz fassen zu können, da ich das Glück habe, einen so wackern jungen Kollegen zur Seite zu haben, der mir meine Arbeit wesentlich erleichtert hat. Ich will mich fern von jeder Leidenschaft halten und mich auf den streng sachlichen Standpunkt stellen, zumal ich mit Freuden konstatieren kann, daß die Verhandlung mit strengster Unparteilichkeit geleitet worden ist. Die Herren Richter haben sich durch die achttägige Verhandlung zweifellos ein klares Bild geschaffen, ich habe daher nicht mehr nötig, auf die Genesis des Prozesses einzugehen. Ich habe mit meinem Kollegen die Überzeugung, daß Sie nur zu einem freisprechenden Urteil kommen können. Sie können das, wenn Sie die Broschüre als Ganzes betrachten, wenn Sie das Gesamtbild auf sich wirken lassen und sich von aller Silbenstecherei fernhalten. Der Prozeß verdient, daß der Richter bei der Beurteilung nicht von kleinlichen Dingen ausgeht, sondern sich von großen allgemeinen Gesichtspunkten leiten läßt. Mein Kollege sprach von der vox populi. Ich liebe es sonst nicht, den fünf Richtern noch einen sechsten in Gestalt der öffentlichen Meinung beizugesellen, allein bei diesem Prozeß ist des Volkes Stimme tatsächlich Gottes Stimme. Durch das, was sich hier im Gerichtssaale abgespielt hat, ist das Rechtsbewußtsein des deutschen Volkes in geradezu empörendster Weise verletzt, und das Volk würde es einfach nicht verstehen, wenn eine Verurteilung, und wäre es auch nur die niedrigste Geldstrafe, eintreten würde. Daß die drei Männer hier überhaupt auf der Anklagebank sitzen, liegt an unseren eigentümlichen Rechtsverhältnissen, ganz besonders an dem Anklagemonopol der Staatsanwaltschaft. Es handelt sich hier erst in zweiter Reihe um die Angeklagten, in