v. Krosigk hatte dem Oberleutnant v. Hoffmann, als er ihm den Uniformrock aufknöpfte, zugerufen: Haben Sie geschossen? Fast in demselben Augenblick rief der Rittmeister in wehklagendem Tone: „Meine arme Frau, meine armen Kinder.“ Dies waren seine letzten Worte, dann verschied er. Der Arzt konnte nur noch den Tod des Rittmeisters feststellen. Eine Kugel hatte ihn mitten ins Herz getroffen. Die Kunde von dem entsetzlichen Morde verbreitete sich naturgemäß mit Blitzeseile in den weiten Kasernenanlagen, in der Stadt Gumbinnen und wurde durch den Telegraph in alle Weltteile getragen. Oberleutnant v. Hoffmann ließ sofort die umfassendsten Nachforschungen nach dem oder den Mördern anstellen. Daß der Schuß nicht innerhalb der Reitbahn abgegeben war, lag außer Zweifel, es konnte nur von außen geschossen worden sein. Und richtig, hinter der Bandentür vor einem Guckloch, durch das man die ganze Reitbahn übersehen konnte, stand ein noch rauchender Karabiner.
Angestellte Versuche ergaben, da8 mit diesem Karabiner bequem durch das Guckloch in die Reitbahn geschossen werden konnte. Der Rittmeister stand etwa 20 Schritt von dem Guckloch. Er ging unaufhörlich, die Abteilung kommandierend‚ auf und ab. Obwohl der Schuß aus ziemlicher Nähe erfolgt war, muß der Mörder ein guter Schütze gewesen sein. Rittmeister Freiherr v. Krosigk stand im 42. Lebensjahre. Er stand früher in Stendal in Garnison und war einige Jahre vor dem Morde nach Stallupönen versetzt worden. Einige Zeit darauf wurde die vierte Schwadron nach Gumbinnen kommandiert. Die Leiche des erschossenen Rittmeisters wurde in der Reitbahn aufgebahrt und sofort die ganze vierte Schwadron vor die Leiche geführt. Oberleutnant v. Hoffmann gab den Befehl: die dienstfreien Unteroffiziere und Mannschaften vom Nachmittag nehmen links von der Leiche, die im Dienst gewesenen Unteroffiziere und Mannschaften rechts von der Leiche Aufstellung. Mehrere Leute fielen dem Kommandeur des Regiments, Oberst v. Winterfeld, durch
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1. Hermann Barsdorf, Berlin 1910, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_1_(1910).djvu/184&oldid=- (Version vom 31.7.2018)