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Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 5 (1912).djvu/255

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5

wohl in männlicher Kleidung, trug aber noch keine Hosen, sondern ein Frauenkleid – hatte ein goldenes Pincenez und rauchte sehr kokett eine Zigarrette. Diese junge, sehr hübsche Dame war in heißer Liebe zu einem jungen weiblichen Wesen entbrannt. Sie war bereits „glücklicher Bräutigam“ und sollte, wie Dr. Hirschfeld mitteilte, zehn Tage später als Mann erklärt werden, so daß nach weiteren vier Wochen die Hochzeit stattfinden sollte. Alsdann führte Dr. Hirschfeld – ich war in dieser Versammlung als Berichterstatter anwesend – einen kleinen, sehr stark gebauten Mann mit hellblondem, wohlgepflegten Schnurrbart im Alter von 45 Jahren vor. Dieser Mann war bis zum 26. Lebensjahre eine Frau. Der Mann nahm, mit Erlaubnis des Vorsitzenden, selbst das Wort und erzählte: Er sei bis zum 26. Lebensjahre Anlegemädchen in einer Druckerei gewesen. Nachdem er als Mann erklärt worden war, habe er drucken gelernt und sei schon seit einer Reihe von Jahren bei einer großen Berliner Druckerei Maschinenmeister. Er sei seit 15 Jahren glücklich verheiratet. Er führe eine sehr gute Ehe und habe fünf Kinder, drei Knaben und zwei Mädchen, die, wie die Ärzte erklären, sämtlich vollständig normal sind. Das dritte, von Dr. Hirschfeld vorgestellte Individuum war eine 28jährige Wäschezuschneiderin. Es war unverkennbar, daß das Individuum männlichen Geschlechts war. Es war ihm auch gestattet als Mann zu leben und sich männlich zu kleiden, der Mensch wollte aber von diesem Recht aus wirtschaftlichen Gründen keinen Gebrauch machen, da er alsdann genötigt gewesen wäre, sich einen neuen Erwerbszweig zu suchen. – Anfang Juni 1908 hatte sich vor der Strafkammer zu Dessau ein etwa 45 Jahre alter Eisenbahnbeamter, verheiratet und Vater von fünf Kindern, wegen Einbruchsdiebstahls zu verantworten. Der Angeklagte, ein vollständig unbescholtener Mann, der sich des besten Leumunds erfreute, unternahm des Nachts Einbruchsdiebstähle. Er stahl aber ausschließlich gebrauchte Frauenwäsche.

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 251. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_5_(1912).djvu/255&oldid=- (Version vom 31.7.2018)