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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5

Bei einem Einbruch, den er in der Wohnung des Dessauer Polizeidirektors unternahm, wurde er schließlich ertappt und festgenommen. Er behauptete: Eine unwiderstehliche Gewalt zwinge ihn, getragene Frauenwäsche zu stehlen und diese sich auf seinen Körper zu ziehen. Er empfinde dadurch ein großes Wohlbehagen. Es sei ihm unmöglich, das Anlegen von getragener Frauenwäsche längere Zeit zu entbehren. Dr. Magnus Hirschfeld (Berlin) war zu dieser Verhandlung als Sachverständiger geladen. Am Tage vor der Verhandlung sprach Dr. Hirschfeld mit Erlaubnis des Untersuchungsrichters den Angeklagten im Gefängnis. Auf die Frage des Dr. Hirschfeld: weshalb er sich die Frauenwäsche nicht gekauft habe, er hätte doch alsdann nicht nötig gehabt, Einbrüche zu begehen und im Gefängnis zu sitzen, erwiderte der Angeklagte: Neue Frauenwäsche nützt mir nichts, nur getragene Frauenwäsche verursacht mir Wohlbehagen. Dr. Hirschfeld erklärte den Mann für einen Fetischisten, der für seine Handlungen nicht verantwortlich gemacht werden könne. Die anderen Sachverständigen erklärten aber: Der Mann sei wohl geistig minderwertig, seine freie Willensbestimmung im Sinne des § 51 des Strafgesetzbuches sei aber nicht ausgeschlossen. Daraufhin verurteilte der Gerichtshof den Angeklagten zu 5 Jahren Gefängnis. – Dem Vernehmen nach verfiel der Angeklagte nach einiger Zeit vollständig in Geisteskrankheit. Er mußte in eine Irrenanstalt überführt werden; in dieser soll er vor einiger Zeit gestorben sein. – Im März 1907 saß ein 21jähriger Berliner Student auf der Anklagebank einer Berliner Strafkammer. Der junge Mann gehörte einer Studentenverbindung an, in der sich die Mitglieder verpflichten müssen, jeden außerehelichen Verkehr streng zu meiden. Der junge Mann versicherte auch, daß er noch niemals mit einem weiblichen Wesen intim verkehrt habe, er sei auch nicht homosexuell, er habe aber den unwiderstehlichen Drang, Mädchen die Zöpfe abzuschneiden. Er sei nicht in Mädchen,

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 252. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_5_(1912).djvu/256&oldid=- (Version vom 31.7.2018)