Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5 | |
|
sich besonders hervortun, so auf dem Gebiete des Tanzes und der Musik. Seine Lieblingsschriftsteller sind Platen und Novalis. Seiner sexuellen Veranlagung nach kann er höchstens als Psychohomosexueller bezeichnet werden. Er leidet an einer gewissen Abenteuerlust, hat eine Vorliebe fürs Schauspielern und ist sehr eitel und putzsüchtig. Seine Handlungen führt er ohne viel Vorbereitungen aus, es fehlt ihm jedes logische Weiterdenken, er sieht nur das Nächstliegende; das ist ein Begabungsmangel eines Schwachsinnigen. Er ist nicht imstande, den momentan auftauchenden Impulsen zu widerstehen. Er wußte gar nicht, was er in Potsdam tat. Er war so eingenommen von dem Gedanken, Frau zu sein, daß er keine Bedenken gegen seine Handlungsweise hatte. Er mußte seinen Trieb befriedigen, auch als er sich von dem Schutzmann beobachtet glaubte. Eine derartige sexuelle Triebbefriedigung schließt aber die freie Willensbestimmung nicht aus. Beim Angeklagten war das Leitmotiv seines Handelns nicht der Gedanke, einen raffinierten Juwelendiebstahl zu begehen, sondern er erlag der Autosuggestion, ein Weib zu sein. Wenn er auch bestraft wird, dieser Trieb ist bei ihm nicht zu beseitigen. Er ist nicht ausgesprochen geisteskrank, aber vermindert zurechnungsfähig. Es ist ihm schon zu glauben, daß er nur die Absicht hatte, einen Streich auszuführen. – Staatsanwaltschaftsrat Boettger beantragte, die Berufung beider Angeklagten zu verwerfen. Der Umstand, daß der Angeklagte Eichbaum schon wiederholt wegen Eigentumsvergehens vorbestraft ist und die ausgesuchten Gegenstände mitnehmen wollte, lassen kaum noch einen Zweifel, daß es sich um einen versuchten Betrug handelte. Dafür spricht auch die telephonische Ankündigung des Angeklagten Klemmt: Die Gräfin v. Arnim soll noch goldene Uhren, Ketten und Armbänder mitbringen. – Der Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Alsberg suchte den Nachweis zu führen, daß der Angeklagte Eichbaum es lediglich auf einen Ulk abgesehen hatte.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 273. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_5_(1912).djvu/277&oldid=- (Version vom 31.7.2018)