Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6 | |
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Fällen zu einem Jahr und neun Monaten Gefängnis, den Angeklagten Merker wegen Hehlerei zusätzlich zu vier Monaten Gefängnis. Der Angeklagten Beier wurden sechs Monate durch die Untersuchungshaft als verbüßt angerechnet. Außerdem wurde die Zulässigkeit der Polizeiaufsicht gegen Grete Beier ausgesprochen. – In der Urteilsbegründung wies der Vorsitzende auf das höchst verwerfliche, mit großem Raffinement ausgeführte Schreiben der Angeklagten Beier hin, die keinerlei Reue gezeigt, sondern noch in weitgehendstem Maße bestrebt war, Unschuldige in die Sache hineinzuziehen. Straferschwerend fiel auch die Mißachtung ihrem Bräutigam Preßler gegenüber ins Gewicht, dem sie das Leben genommen hat. Die Aufforderung zur Begehung des Mordes war nach Ansicht des Gerichts ernst gemeint. Die Straftat hat eine um so schwerere Ahndung verdient, da sie aus der Untersuchungshaft heraus, kurze Zeit, nachdem die Angeklagte einen Mord begangen hatte, geschehen war.
Am 29. Juni 1908 hatte sich Grete Beier wegen Ermordung[WS 1] ihres Bräutigams, des Oberingenieurs Preßler und wegen schwerer Urkundenfälschung vor dem Schwurgericht zu Freiberg in Sachsen zu verantworten. Das an der Promenade gelegene Gerichtsgebäude war von einer nach Tausenden zählenden Menschenmenge belagert; der Zuhörerraum des Schwurgerichtssaales wurde fast gestürmt. Den Vorsitz des Schwurgerichtshofs führte Landgerichtsdirektor Rudert. Die Anklage vertrat auch hier Staatsanwalt Dr. Mannel, die Verteidigung führte Rechtsanwalt Dr. Knoll (Dresden). Auf Aufforderung des Vorsitzenden erzählte die Angeklagte in tadellosem, fließendem Deutsch: Ich bin am 25. September 1885 in Brand, als Tochter des dortigen Bürgermeisters geboren und evangelischer Konfession. Nach meiner Konfirmation kam ich in die Tanzstunde. Dort lernte ich einen Herrn Öhlsner kennen, zu dem ich mich um so mehr hingezogen fühlte, als meine Mutter sehr schroff und lieblos zu mir war. Mein Vater und meine Großmutter waren zwar
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Ermormordung
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 294. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/298&oldid=- (Version vom 13.1.2019)