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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 8
Fürst Bismarck gegen den Universitätsprofessor Dr. Theodor Mommsen

Welches Interesse zu einer Beleidigung des Fürsten ist denn in dem Privatleben des Herrn Angeklagten zu finden? Gar keins. Oder hat ihn gar die Leidenschaft dazu getrieben, über die parlamentarische Grenze hinauszugehen? Ich denke, die Interpretation, die der Angeklagte seiner Rede gegeben, muß hier gelten, denn eine Unwahrheit wird man bei einem Manne, der in seinem ganzen Leben schon durch seinen Beruf genötigt war, Worte und Buchstaben zu wägen, nicht voraussetzen. Nachdem der Verteidiger sodann die einzelnen aus Anlaß jener Rede dem Prof. Mommsen gemachten Angriffe, den Artikel der „N. A. Z.“ und die Reden des Reichskanzlers und des Ministers v. Puttkamer kritisierend gewürdigt, suchte er nachzuweisen, daß es der Anklage an jedem Boden fehle, da der Ausdruck „Schwindel“ in einer nicht vor Akademikern, sondern vor einer Wählerschaft gehaltenen Rede vielleicht nicht urban, aber nicht strafbar sei. Der Ausdruck bezog sich im übrigen nicht auf den Fürsten v. Bismarck. Der Verteidiger suchte zum Schluß den Nachweis zu führen, daß dem Angeklagten der § 193 des Str.-G.-B. zur Seite stehe. – Angekl. Prof. Dr. Mommsen: Ich darf mir wohl gestatten, dem hohen Gerichtshofe vorzuführen, daß ich seit 40 Jahren und länger vor dem deutschen Publikum stehe, daß ich mir der Pflicht, in meiner öffentlichen Wirksamkeit alles Persönliche zu vermeiden, voll bewußt bin und daß ich auch sachlich mit aller Schärfe zu kämpfen weiß. Freilich ist die inkriminierte Rede scharf, aber ich bin des Wortes so weit mächtig, daß das deutsche Volk nicht zweifelhaft sein kann, wen und was ich meine und daß ich es meinerseits als schimpflich betrachten würde, mich hinter Zweideutigkeiten zu verstecken. Ich erkläre nochmals, daß es mir nicht eingefallen ist, den Herrn Reichskanzler als Person beleidigen zu wollen. Ich lege die rechtliche Beurteilung der Sache ganz vertrauensvoll in die Hand des hohen Gerichtshofs. Daß die Sache außerdem eine sittliche und moralische Bedeutung hat, wird niemand

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 8. Hermann Barsdorf, Berlin 1913, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_8_(1913).djvu/37&oldid=- (Version vom 1.8.2018)