Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 9 (1913).djvu/289

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 9

Messerstecher, der Anfang 1909 in den Straßen Berlins eine große Anzahl Frauen und Mädchen, zum Teil ganz erheblich, durch Messerstiche verletzte. Im August 1912 wurden bekanntlich in einem Eisenbahnwagen auf dem Wege von Nauen nach Berlin einige Damen von einem Messerstecher in so erheblicher Weise verletzt, daß sie sämtlich längere Zeit in ärztlicher Behandlung waren und eine ältere Dame infolge der Verletzungen gestorben ist. Nach längeren Bemühungen gelang es dem Berliner Kriminalkommissar Artur Klinghammer den unheimlichen Messerstecher in der Person des 20jährigen Bäckergesellen Franz Nettelstroth zu verhaften. Allein Nettelstroth befand sich bei Drucklegung dieses Bandes noch immer in ärztlicher Beobachtung und es war sehr zweifelhaft, ob gegen diesen Menschen wird verhandelt werden können. Er wird wahrscheinlich, wie mir der Gerichtsarzt, Herr Medizinalrat Dr. Störmer, mitteilte, als gemeingefährlich geisteskrank erklärt und dauernd einer Irrenanstalt überwiesen werden. Die meisten menschlichen Leidenschaften liegen zweifellos auf erotischem Gebiete. Wenn es wahr ist, daß der vierzigjährige Diener Josef Ritter, der am Pfingstsonnabend 1913 den 12jährigen Knaben Klähn in der Hohenzollernstraße in Berlin ermordete, an den Qualen des armen Kindes wollüstige Befriedigung empfunden hatte, dann scheint auch dieser Mann geistesgestört zu sein. Anfang März 1906 saß ein hübscher junger Mann auf der Anklagebank des Schöffengerichts Berlin Mitte. Der Mann, namens Robert Stoß, war 1883 in Valparaiso geboren. Er war Student an der Technischen Hochschule in Charlottenburg und ungemein talentvoll und fleißig. Der sehr träumerisch aussehende, bartlose junge Mann lebte sehr zurückgezogen. Er war Mitglied eines studentischen „Vereins zur Aufrechterhaltung des Keuschheitsprinzips“. Er hatte, obwohl er bereits 23 Jahre alt war, noch niemals mit einem weiblichen Wesen verkehrt. Er besaß aber den unwiderstehlichen Drang, jungen blonden Mädchen die Zöpfe abzuschneiden.

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 9. Hermann Barsdorf, Berlin 1913, Seite 285. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_9_(1913).djvu/289&oldid=- (Version vom 1.8.2018)