Hugo Friedländer: Kulturhistorische Kriminal-Prozesse der letzten vierzig Jahre, Band 1 | |
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der Presse, stattfand, war der Zuhörerraum während der volle vierzehn Tage dauernden Verhandlung von Juristen, Aerzten, Schriftstellern und anderen Herren der Gesellschaft stets Kopf an Kopf gefüllt.
Die Verhandlung war reich an dramatischen Szenen. Der kleine Emil Handtke, der inzwischen wieder genesen war, ein hübscher, aufgeweckter, blondgelockter Knabe, erschien vor dem Schwurgericht als Zeuge. Der Angeklagte mußte sich den Havelock anziehen und den Hut aufsetzen, die er am Tage des Verbrechens getragen hatte. In dieser Bekleidung wurde er dem Knaben gegenübergestellt. Der kleine Handtke erschrak vor dem Anblick des Mannes, er konnte aber nicht mit Bestimmtheit sagen, daß v. Zastrow der Attentäter gewesen sei.
Aus Anlaß der Zeitungsberichte meldete sich eines Tages eine alte Frau. Sie brachte ein mit Blut besudeltes, feines, weißes Taschentuch, gezeichnet A. v. Z., mit der Bemerkung, dies Taschentuch habe sie am Morgen des 27. Februar 1867 in der Kesselstraße gefunden. Der Angeklagte leugnete nicht, daß das Taschentuch sein Eigentum sei! Es wurde außerdem festgestellt, daß der Mörder des Bäckerlehrlings Corny auf dem Nachhauseweg die Kesselstraße passiert haben mußte. Trotzdem bestritt der Angeklagte mit aller Entschiedenheit, zu dem Cornyschen Morde in irgendeiner Beziehung zu stehen.
Eines Nachmittags eröffnete der Vorsitzende, Stadtgerichtsdirektor Delius, nach einer längeren Pause die Sitzung mit folgenden Worten: „Angeklagter
Hugo Friedländer: Kulturhistorische Kriminal-Prozesse der letzten vierzig Jahre, Band 1. Continent, Berlin 1908, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Kulturhistorische_Kriminal-Prozesse-Band_1_(1908).djvu/14&oldid=- (Version vom 31.7.2018)