Hugo Friedländer: Kulturhistorische Kriminal-Prozesse der letzten vierzig Jahre, Band 1 | |
|
v. Zastrow, wie ich aus den Akten ersehe, wollten Sie einmal zur katholischen Kirche übertreten?“ Angekl.: „Jawohl, es bedrückte mich damals mein Gewissen.“ – Vorsitzender (ruhig vor sich hinsprechend): „Das war nämlich zu der Zeit, als der Bäckerlehrling Corny ermordet wurde.“ Der Angeklagte sprang so erregt auf, daß die ganze Anklagebank zitterte, und rief mit sichtlicher Entrüstung: „Wer sagt das?“ – Vors.: „Das sage ich. Ich behaupte, Sie wollten zur katholischen Kirche übertreten, weil Ihr Gewissen Sie bedrückte, und zwar gerade zu der Zeit, als der Bäckerlehrling Corny ermordet wurde. Es ist Ihnen bekannt, daß Sie stark im Verdacht standen, diesen Mord begangen zu haben. Sie waren auch deshalb eine Zeitlang verhaftet. Es ist nun, ganz abgesehen davon, daß am Morgen des Mordes ein Ihnen gehörendes, blutiges Taschentuch in der Kesselstraße gefunden wurde, sehr bezeichnend, daß Sie zu der Zeit, als der Bäckerlehrling Corny ermordet wurde, Gewissensbisse empfanden!“ Der Angeklagte wurde bei diesen Worten kreidebleich. Er setzte sich und sprach an diesem Tage kein Wort mehr.
Die Beweise für seine Schuld an dem Attentat des kleinen Handtke waren ziemlich haltlos, zumal v. Zastrow, wie erwähnt, fast überzeugend sein Alibi nachgewiesen hatte. Die Geschworenen bejahten aber trotzdem, wie man später erfuhr, einstimmig die Schuldfragen wegen versuchten Mordes und widernatürlicher Unzucht, begangen an einem achtjährigen Knaben. Die Geschworenen sollen der Ansicht Ausdruck gegeben
Hugo Friedländer: Kulturhistorische Kriminal-Prozesse der letzten vierzig Jahre, Band 1. Continent, Berlin 1908, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Kulturhistorische_Kriminal-Prozesse-Band_1_(1908).djvu/15&oldid=- (Version vom 1.8.2018)