Hugo Friedländer: Kulturhistorische Kriminal-Prozesse der letzten vierzig Jahre, Band 1 | |
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in arger Weise gefrönt hätte. Seine Gattin, die ihm vier Kinder geschenkt hatte, machte ihm ob seiner schrecklichen Leidenschaft die heftigsten Vorwürfe, es war aber alles vergeblich.
Eines Tages erkrankte Frau Schechtel. Sie bekam heftiges Erbrechen. Ein Arzt wurde selbstverständlich nicht hinzugezogen, denn der Gatte war ja selbst „Arzt“ und verstand bedeutend mehr als die größten medizinischen Autoritäten. Allein in diesem Falle versagte die Kunst des Wunderdoktors Schechtel. Das Erbrechen wurde immer heftiger und nach wenigen Tagen war Frau Schechtel verschieden.
Die Verwandten der Frau hegten Zweifel ob der Todesursache, zumal in der Behausung des Schechtel allerlei Gifte vorhanden waren, auch ließen die Krankheitssymptome der Verstorbenen auf Vergiftung schließen. Es kam hinzu, daß Schechtel trotz aller Bitten seiner Frau keinen Arzt hinzugezogen hatte. Die Verwandten erfuhren außerdem, daß Schechtel zu einer Zeit, als seine Frau sich noch bester Gesundheit erfreute, Abonnent der Berliner Heiratszeitung war.
Und in der Tat, nach kaum zwei Monaten war Schechtel von neuem verheiratet. Als die Verwandten seiner ersten Frau dies hörten, gaben sie ihrem Argwohn in einer Weise Ausdruck, daß es Schechtel in Berlin nicht mehr geheuer schien. Er zog mit seiner jungen Frau nach Stargard in Pommern. Auch hier hatte Schechtel sehr bald einen zahlreichen Patientenkreis. Es dauerte aber nicht lange, da erkrankte auch die zweite
Hugo Friedländer: Kulturhistorische Kriminal-Prozesse der letzten vierzig Jahre, Band 1. Continent, Berlin 1908, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Kulturhistorische_Kriminal-Prozesse-Band_1_(1908).djvu/67&oldid=- (Version vom 1.8.2018)