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leicht wechseln, nicht sehr tief gehen und nicht sehr nachhaltig sind, wo die Lebensrichtung mehr auf Genuß als auf energische Thätigkeit gerichtet ist, und

 das cholerische Temperament. Hier liegt die Erregbarkeit mehr im Begehrungsvermögen und im Willen und damit verbundenen Gemütsbewegungen; diese Erregungen aber fordern heraus zu kräftigen Reaktionen, zum Eingreifen in die Außenwelt. Daher kommen rasche Entschlüsse und nachhaltige Bestrebungen, heftige Ausbrüche der Affekte und andauernde Leidenschaften.

 Die beiden weniger erregbaren, mehr in sich hineinlebenden Temperamente sind:

 das phlegmatische, welches die Eindrücke von außen mit Bedächtigkeit und Besonnenheit aufnimmt, sie zur Bildung von Begriffen, Ideen, Urteilen, Grundsätzen verwendet und nur dann handelnd auftritt, aber dann auch mit Ausdauer und Stetigkeit, wenn es unumgänglich notwendig ist; und

das melancholische Temperament. Dieses bringt eine ernste, ja schwermütige Lebensansicht, weil die Außenwelt nicht befriedigt; sie kann dem also Beanlagten gleichgültig werden; er sehnt sich nach Besserem. Der Melancholiker lebt seinen Gefühlen und den daraus entspringenden Anschauungen. Wenn der Melancholiker aber zum Handeln fortschreitet, sei es äußerlich oder innerlich gedrängt, so handelt er mit Energie und Hingabe. Übrigens drücken diese Benennungen mehr die Mängel der betreffenden Temperamente aus.

 Diese Temperamente kommen nie rein vor, sondern immer mehr oder weniger gemischt. Daher erklärt sich die große Mannigfaltigkeit der Erscheinungen auf diesem Gebiet. Daß die Beschaffenheit des Leibes einen Einfluß auf das Temperament hat, ist gewiß; aber ebenso gewiß ist, daß dieser nicht ein so bestimmender ist, als die Alten annahmen. Der Unterschied liegt vorzugsweise in der Beschaffenheit der Seele (cf. Ulrici: „Gott und der Mensch“).

 Zu den Naturbestimmtheiten des Menschen gehört auch:

 2. Das Lebensalter.

 Die vier Lebensalter haben – doch nur mit Einschränkungen – etwas Verwandtes mit den vier Temperamenten. Das Kindesalter hat die Erregbarkeit des Sanguinikers, das Jünglingsalter den feurigen Thatendrang des Cholerikers; das Mannesalter mit seinem zurückhaltenden Ernst und dem Bestreben, seine Lebenserfahrungen in sich zu