Seite:Friedrich Bauer - Christliche Ethik auf lutherischer Grundlage.pdf/249

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

er die Lehre seiner Kirche mit der Schrift übereinstimmend, so ist er aus Überzeugung ein Glied seiner Kirche, und das soll bei jedem der Fall sein. Findet er aber, daß eine andre Kirche schriftgemäßer lehrt und die Sakramente verwaltet und die seinige der Schrift widerstreitend, so hat er Recht und Pflicht zu konvertieren, d. h. sich derjenigen Kirche als Glied anzuschließen, welche er als die rechte auf Erden erkannt hat. Daß jeder bei seiner Konfession bleiben soll, ist ein verwerflicher Grundsatz. Was für ein gutes Gewissen die lutherische Kirche dabei hat, indem sie ihre Angehörigen zur Prüfung und Vergleichung auffordert, ist am Tage. Wenn viele, ja vielleicht die Mehrzahl der Konvertiten aus falschen Gründen diesen Schritt thun, so bleibt doch die Sache selbst in Ehren.

 Im übrigen sind in der angeregten Frage zwei Abwege zu meiden: Unionismus und bornierter Konfessionalismus.

 Kirchenmengerei und Unionismus ist ein Krebsschade der Kirche. Die Vernunft fällt immer darauf, und der Teufel weiß diese Neigung auszubeuten. Jedes Glied, namentlich jeder Diener der Kirche, hat die Pflicht, seiner Kirche Treue zu beweisen, sie zu verteidigen und zu fördern auf alle Weise; namentlich hat er bei sich und andern darauf zu halten, daß keine Abendmahlsmengerei eintritt. Aller Unionismus beruht auf dem verwerflichen kirchlichen Indifferentismus, welcher eine Gleichgültigkeit beweist gegen die größten und wichtigsten göttlichen Wahrheiten, die Unterscheidungslehren sind, namentlich gegen die von dem Sakrament des Altars. Er arbeitet, wenn auch unwissend, an der Auflösung der wahren Kirche unter den Konfessionskirchen und strebt eine verschwommene Allerweltskirche an.

 Aller Unionismus ist Untreue, Indifferentismus und deswegen sittliche Verfehlung. Anfangs Indifferentismus in einem Punkt, zuletzt in allen. Die Union arbeitet deshalb an der Auflösung der wahren Kirche unter den Konfessionskirchen. Der Unionismus ist Gleichgültigkeit gegen den Unterschied von Wahrheit und Irrtum; er erklärt beide für gleichberechtigt; es ist eine Ja- und Neintheologie und deshalb nicht nur ein Irrtum, sondern eine sittliche Verfehlung und außerdem hat die Union, wenigstens in Preußen, sich mit der Sünde der Gewissenstyrannei belastet. Die Union wollte Frieden bringen, aber merkwürdigerweise hat, wie Ebrard gesagt hat, das friedliche Nebeneinanderbestehen beider evangelischer Konfessionen gerade da statt, wo keine Unionsversuche gemacht wurden. Die gegenseitige Achtung bei