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Riesenkräfte im Bösen. So verbreitet sich auch das Böse und gewinnt einen solchen Umfang („Die Erde ist voll Frevels von ihnen“), daß Gott nicht anders kann, als die ganze Menschheit vertilgen, mit Ausnahme von Noah und seiner Familie. Wir finden sie in der Hölle der Verdammten (φυλακή) wieder (1. Petr. 3, 20).

 Auf der durch die Sintflut gereinigten Erde, aus dem neuen Geschlecht erhebt sich die Sünde abermals zu einer solchen Höhe und widergöttlichen Anmaßung mit vereinten Kräften im babylonischen Turmbau, daß Gott vom Himmel herabfahren und ihre Sprache verwirren und sie in alle Länder zerstreuen muß (1. Mos. 11). Wir haben hier nicht allein die Entstehung der mancherlei Sprachen und Völker, sondern auch (vgl. Röm. 1, 21) die Entstehung des Heidentums, die Abgötterei. Wir finden letztere bei Tharah, Abrams Vater (Josua 24, 2). Wir finden sie mit immer größeren Sündengreueln verbunden bei den gesamten Völkern des Altertums, mit Ausnahme von Israel. Man denke an den scheußlichen Molochdienst (Menschen-, Kinderopfer) bei den Ammonitern; wir finden Gleiches aber bei allen Heiden, auch bei den Gebildeten, den Griechen und Römern, und innig verbunden damit die Unsittlichkeit, namentlich in geschlechtlichen Dingen. Man muß auch hier einen Unterschied machen zwischen Zeiten der Blüte und Zeiten des Sittenverfalls. Aber im ganzen bleibt doch das Bild wahr, das St. Paulus von der griechischen und römischen Heidenwelt entworfen hat, Röm. 1, 22-32, wo die unnatürlichen Wollustsünden in den Vordergrund treten. Hat doch selbst ein Sokrates die Knabenschänderei nicht für ein verabscheuungswürdiges Laster geachtet und war selbst nicht frei davon! (? Angefochten war er davon, cf. Döllinger, Vorhalle etc. pag. 687. – Xen. Mem. I, 2, 29 etc., 3, 8 etc. und Sympos. 8, 19 etc., 32 etc. hat er sie getadelt.) Die Spitze der unnatürlichen Wollustsünden im Heidentum aber hat wohl Sodom erstiegen.

 Nächstdem tritt die Unbarmherzigkeit, der Mangel an Gefühl für wahre Menschlichkeit hervor, im grellen Gegensatz gegen die sonstige Bildung, die als Muster wahrer Humanität für alle Zeiten gilt. Die Sklaverei ist notwendige Grundlage des Staates; der Sklave wird nicht als Mensch, sondern als Ware, als Sache angesehen und behandelt. Der größte Teil des Volkes wird von diesem harten Los betroffen. Der Sklave ist rechtlos, man erlaubt sich jede Grausamkeit gegen ihn, sein Leben ist völlig in der Hand seines Herrn. Man