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Friedrich von Rath: Hexenprozesse. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267

Hexenprozesse.
(Fortsetzung.)

Eben so wenig wie die Theologen den Teufel, wollten die Juristen den Hexenprozeß fahren lassen; es gehörten bis jezt die berühmtesten Juristen, der jüngere, 1666 gestorbene Carpzow an ihrer Spitze, im Glauben an das Hexenwesen zur striktesten Observanz, namentlich hatte Lezterer die Abweichung der Hexenprozesse vom regelmäßigen Gange der andern peinlichen Prozesse durch sein gewaltiges Ansehen unterstüzt, und eben so hielt es die Geistlichkeit für arge Ketzerei, die Macht und Persönlichkeit des Teufels anzugreifen. Aller Anstrengungen ungeachtet, duldeten aber die beiden ersten Könige von Preußen von jezt an keine Hexenprozesse mehr, welche bald darauf im protestantischen Deutschland ganz verschwanden.

Anders war es dagegen in den Ländern, wo der römisch katholische Glaube herrschte. Kaiser Joseph I. erließ noch 1707 für Böhmen, Mähren und Schlesien eine neue Kriminalprozeßordnung, in welcher wahrscheinlich in Beziehung auf den dort immer noch im Stillen fortglimmenden Protestantismus, dem Hexenprozesse ein neues, wenn auch nur kurzes Leben verliehen wurde. Zauberei und Teufelsbündniß ward mit Feuer, wenigstens mit dem Schwerte gestraft. Erst Maria Theresia sezte 1766 diese Gesetze außer Wirkung. Am 6ten September 1713 ward in Schwaigern bei Heilbronn eine Frau als Hexe verbrannt, ihre beiden Töchter, die sich auf der Folter auch als Hexen bekannt hatten, wurden nach dem Spruche der Tübinger Fakultät nur mit Kirchenbuße bestraft. – In Würzburg kam 1749 ein berüchtigter Hexenprozeß vor, in welchem die siebzigjährige Subpriorin des Frauenklosters Unterzell bei Würzburg, Maria Renata, als Hexe verbrannt wurde. Bis jezt ist die Einsicht der in Würzburg aufbewahrten Akten dieses Prozesses noch nicht gestattet worden. – In dem zum damaligen Bisthum Augsburg gehörenden Städtchen Buchloe, wo sich ein Zuchthaus des schwäbischen Kreises befand, ward noch im Jahr 1766 ein Zigeuner als Hexenmeister verbrannt, bei dessen Prozeß sich Umstände ereigneten, die an die grassesten Zeiten der Hexenverfolgungen erinnerten. Ein Zigeuner saß wegen Gaunerlebens in Untersuchung und sollte, als die Folter ihm kein besonderes Verbrechen abpressen konnte, in Freiheit gesezt werden, als der Stadtrichter Nachmittags nach der Tortur auf einem Spaziergange eine Zigeunerfamilie traf, deren drei kleine Kinder in der Erde gruben. Als nun am folgenden Abend ein schweres Gewitter in das Gefängniß des Zigeuners einschlug, sah man hierin

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich von Rath: Hexenprozesse. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1844, Seite 945. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedrich_von_Rath_Hexenprozesse.pdf/12&oldid=- (Version vom 1.8.2018)