Zum Inhalt springen

Seite:Gemäldegalerie Alte Meister (Dresden) Galeriewerk Lücke.djvu/125

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.


Die französische Schule des 17. und 18. Jahrhunderts


Von der naturalistischen Strömung der Zeit wurde die französische Malerei des 17. Jahrhunderts sehr wenig, nur nebenher berührt. In ihren Haupterscheinungen stand sie zunächst noch ganz unter dem Zeichen der Renaissance; die Überlieferungen des Cinquecento, mit denen man in Holland und in Spanien völlig gebrochen hatte, wurden hier meist in einem ähnlichen Sinne gepflegt, wie in der Schule der Carracci, vielfach unter der direkten Einwirkung dieser Schule, während sich Einflüsse von dem Naturalismus Caravaggios nur in ganz vereinzelten Erscheinungen zeigten. Dein Klassizismus der französischen Litteratur in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts entsprechend, machte sich während eben dieser Zeit, in dem Zeitalter Corneilles und Racines, auch in der französischen Malerei eine Richtung auf die Antike mit besondrer Entschiedenheit geltend. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts drang das italienische Barock in Frankreich ein; in der pomphaften Kunst Lebruns ward der Barockstil zum Stil Ludwigs XIV. Aber auch jetzt noch erhielten sich die alten Renaissancetraditionen, die klassizistische Richtung. Erst nach dem Tode Ludwigs XIV. kam in die französische Kunst eine neue Bewegung.

Der Hauptmeister der französischen Malerei in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, Nicolas Poussin (1554–1665), der in Rom seine zweite Heimat fand, war Klassizist in dem bestimmten Sinne, dass er seinen figürlichen Stil vor allem nach Mustern des klassischen Altertums zu bilden strebte. Mit ihm trat in der Geschichte der Malerei zuerst eine ausgesprochen antikisierende Richtung hervor. Anderthalb Jahrhundert vor Winckelmann und Mengs strebte er danach, der Malerei das Formenideal der antiken Skulptur zum Gesetz zu machen. Die harte, kalte, unmalerische Manier, der er, wie Mengs, bei diesem Streben verfiel, war jedoch nicht immer und überall bei ihm vorherrschend. Namentlich unter den Figurenbildern aus seiner mittleren Zeit fehlt es nicht an solchen, aus denen eine lebensvollere, feinere malerische Empfindung spricht. Zu ihnen gehört das im Text abgebildete Gemälde.

Empfohlene Zitierweise:
Hermann Lücke: Die Königliche Gemäldegalerie zu Dresden. Franz Hanfstaengl, München 1894, Seite 115. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gem%C3%A4ldegalerie_Alte_Meister_(Dresden)_Galeriewerk_L%C3%BCcke.djvu/125&oldid=- (Version vom 27.12.2024)