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Seite:Gemäldegalerie Alte Meister (Dresden) Galeriewerk Lücke.djvu/131

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zu welcher überraschend frühzeitigen Reife es gelangte, zeigen in der dresdner Galerie die Pastellbildnisse aus seiner Jugendperiode, Meisterwerke ersten Ranges in jeder, vor allem auch in technischer Hinsicht. In der Kraft der Farbe übertreffen sie alles, was die gleichzeitige Pastellmalerei geleistet hat. Zwei der vorzüglichsten sind hier wiedergegeben: ein Selbstporträt, das Mengs 1744, in seinem 17. Jahre malte – in dem jugendfrischen Gesicht, das so frei und klar in die Welt hinausschaut, erkennt man auf den ersten Blick die echte Künstlernatur – und das liebenswürdige Bildnis der zu jener Zeit hochgefeierten Sängerin Regina Mingotti (gemalt 1745, abgeb. im Text).

Der bedeutendste deutsche Porträtmaler in der zweiten Hälfte des 18. und zu Anfang des 19. Jahrhunderts, Anton Graff – geb. 1736 in Winterthur, gest. 1813 in Dresden, wo er seit 1766 Lehrer an der Kunstakademie war – ist in der dresdner Galerie, wie natürlich, mit einer beträchtlichen Zahl seiner Werke vertreten. Abgebildet ist das Selbstporträt von 1795. Zu der schlichten Gediegenheit seiner Kunst, die von dem Manierismus der Zeit völlig unberührt war, stimmt vollkommen der Eindruck, den seine Persönlichkeit in diesem vortrefflichen Bildnis macht.

Die Reihe unserer Abbildungen schliesst mit der Wiedergabe eines hundertfach, immer von neuem reproduzierten Gemäldes von Angelika Kauffmann, der gefeiertsten deutschen Künstlerin des 18. Jahrhunderts. Sie war in der Schweiz geboren (in Chur 1741), ihre künstlerische Bildung erhielt sie in Italien. Hier, wo sie zu Winckelmann und Goethe in freundschaftliche Beziehung kam, war die Hauptstätte ihrer Thätigkeit, ihre zweite Heimat. Ihre im klassizistischen Geschmack komponierten „Historienbilder“ mit der meist allzu weichen Zeichnung und der verblasenen Farbe sind nur noch von geringem Interesse; anziehend sind aber noch immer ihre Frauenbildnisse, in denen sich die Anmut und Zartheit ihrer eigenen Natur aufs liebenswürdigste ausspricht. Die Dame in dem abgebildeten Gemälde ist in einem idealischen Kostüme als Vestalin dargestellt; in der Linken hält sie als Vestalinnen-Attribut eine antike Lampe, die Rechte ist auf ein Säulenstück gestützt. In dem feinen Ausdruck des Kopfes und in der Zartheit der malerischen Behandlung hat das Bild einen nicht veraltenden Reiz.

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Das „Jüngste Gericht“ von Rubens, von dem die Schlusslieferung als Nachtrag zu den in der 6. Lieferung enthaltenen Reproduktionen rubensscher Werke eine Abbildung bringt, ein Gemälde von geringem Umfang und vorwiegend skizzenartigem Charakter, stimmt in allen Hauptteilen der Komposition überein mit dem in der münchner Pinakothek befindlichen „grossen Jüngsten Gericht“, das Rubens um 1617 für den Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm von Neuenburg malte; Verschiedenheiten finden sich in einigen Nebenpartien. Das dresdner Bild, das früher allgemein für ein rubenssches Originalwerk, für die Originalskizze zu dem münchner Gemälde galt, ist in neuerer Zeit mehrfach, zuerst von W. Bode (in v. Zahn’s Jahrb. für Kunstwissenschaft, 1873, VI, 200) für eine von anderer Hand herrührende Kopie erklärt worden. M. Rooses (L’oeuvre de Rubens, 1886, I, 100–101) und Wörmann (im Katalog der dresdner Galerie, 3. Aufl. S. 319) haben an der früheren, von Smith (Cat. rais. II, 83) und von Wangen (Kleine Schriften, S. 281) besonders bestimmt ausgesprochenen Ansicht unseres Erachtens mit Recht festgehalten. – Von Rubens’ Darstellungen des „Jüngsten Gerichts“ ist diese die früheste; die mächtigste ist das „kleine Jüngste Gericht“ in der münchner Pinakothek.

Empfohlene Zitierweise:
Hermann Lücke: Die Königliche Gemäldegalerie zu Dresden. Franz Hanfstaengl, München 1894, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gem%C3%A4ldegalerie_Alte_Meister_(Dresden)_Galeriewerk_L%C3%BCcke.djvu/131&oldid=- (Version vom 27.12.2024)