Wirken schon beeinflusst (geboren wahrscheinlich 1480, gestorben 1528). Zu seinen Hauptwerken gehören jene prächtigen Frauenbilder, idealisierte Porträts, anmutige, in weicher Formenfülle blühende Gestalten, in denen er so glänzende Typen venezianischer Frauenschönheit hingestellt hat.
Eine derartige Porträtdarstellung Palmas besitzt die dresdner Galerie in dem berühmten Bilde der drei Schwestern (abgeb. im Text). Obwohl das Gemälde in der Farbenoberfläche gelitten hat, gehört es doch noch immer zu den reizvollsten Werken des Meisters. Die weichen schwellenden Formen der drei Schönen, die aus dem luxuriösen Kostüm so prächtig hervorblühen, ihr üppiges goldblondes Haar, die ausserordentlich reichen und zugleich so fein zusammengestimmten Farbentöne der Gewänder, im Hintergrund die duftig leuchtende Landschaft, das alles vereinigt sich zu einem Ganzen von bestrickendem Reiz. Das blonde Haar, das man auf den venezianischen Frauenbildnissen jener Zeit fast immer findet, galt damals bei den vornehmen Venezianerinnen als das schönste; bekannt ist, dass sie ihr Haar, wenn es von Natur schwarz oder braun war, künstlich blond zu färben pflegten.
Ein andres Gemälde Palmas in der dresdner Galerie, eine jugendliche Schöne, nackt an einem Waldessaum auf blumiger Wiese ruhend, fordert zu einem unmittelbaren Vergleich mit dem Venusbild Giorgiones heraus. Die edle Schönheit der giorgioneschen Venusgestalt, der in Wahrheit der Name der Göttin gebührt, muss bei solchem Vergleiche im hellsten Lichte erscheinen. Die palmasche Venus ist von minder vornehmer Art: eine anmutige Frauengestalt von gesunder Jugendfrische, doch ohne den Adel der Formen, der dem Bilde Giorgiones eigen ist. Der Fleischton hat offenbar nicht mehr seinen vollen ursprünglichen Glanz; er ist etwas ins trocken bräunliche eingedunkelt. Die prächtige, noch völlig farbenkräftige Landschaft, in die dieses jugendlich frische Menschengewächs hineingesetzt ist, erweckt auch hier jene poetische Stimmung, die für den Eindruck derartiger Darstellungen von so wesentlicher Bedeutung ist. Der Kopf der Venus hat den ausgesprochensten palmesken Typus (s. die Abbildung).
Unter Palmas Darstellungen aus dem religiösen Gebiet sind nur wenige, die mit dem feierlichen kirchlichen Stil der älteren Schule noch eine gewisse Verwandtschaft haben. Die meisten zeigen eine wesentlich andere Auffassungsweise. In den heiligen Konversationen und den heiligen Familien, wie sie Palma mit Vorliebe, in der Regel in Bildern von kleinem Umfange malte, ist eine anmutig heitere, mehr weltliche Stimmung vorherrschend. Sie wurden unter seiner Hand meist zu anmutigen Idyllen, zu „heiligen Genrebildern“. Von den beiden dresdner Gemälden, die zu dieser Gattung palmascher Darstellungen gehören, ist das eine hier reproduziert: eine heilige Familie mit Johannes dem Täufer und der heiligen Katharina, eines der liebenswürdigsten und gepriesensten, koloristisch glänzendsten Gemälde Palmas; die heilige Katharina dieses Bildes gehört zu den anziehendsten Vertreterinnen seines Frauenideals.
Noch ein anderes bedeutendes Gemälde des Meisters besitzt die dresdner Galerie, Jakob und Rahel (s. die Abbildung); es galt lange Zeit für ein Werk Giorgiones, obschon der künstlerische Charakter Palmas auf das entschiedenste darin ausgeprägt ist[1]. Die alttestamentliche Erzählung von der Begegnung Jakobs und Rahels an dem Brunnen, wo die Heerden Labans weiden, gab hier das Motiv zu einer der schönsten bukolischen Dichtungen der Malerei. Der Gegenstand ist geschildert als ein Vorgang unter italienischem Landvolk inmitten einer idyllischen, an die waldige Umgegend von Bergamo, die Heimat
- ↑ Morelli, ebenda S. 270–72.
Hermann Lücke: Die Königliche Gemäldegalerie zu Dresden. Franz Hanfstaengl, München 1894, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gem%C3%A4ldegalerie_Alte_Meister_(Dresden)_Galeriewerk_L%C3%BCcke.djvu/41&oldid=- (Version vom 26.12.2024)