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später nahm das Almosenamt seine Rechte wenigstens teilweise selbst in Anspruch, besonders der Pfarrei Sachsen gegenüber. Zur Ausübung der niederen Gerichtsbarkeit war in Lichtenau ein besonderes Ehaft-Gericht eingerichtet. Das Wort „Eh“ kommt von dem althochdeutschen „Ewa“ oder „Ea“ und hat die Bedeutung von Gesetz, Band oder Bund. „Ehaft“ will also besagen: Dem Gesetz verhaftet, verpflichtet. Auch in den heute noch gebräuchlichen Worten „Ehe“ und „Ehalten“ kommt diese gesetzliche Verpflichtung und Bindung zum klaren Ausdruck. Das „Ehgericht“ oder die „Ehaft“ hatte nun die Aufgabe, alle gesetzlichen Verpflichtungen aufrecht zu erhalten und Übertreter derselben zu bestrafen. Jährlich viermal wurde in Lichtenau Ehaft gehalten, und zwar jeweils am Donnerstag in den vier Quatember-Wochen, also nach Sonntag Invocavit, nach Pfingsten, vor Michaelis und vor Weihnachten. Daneben konnten außerordentliche Ehgerichte ausgeboten werden. Zur Ehaft hatte jeder Untertan zu erscheinen, hatte die Weisungen der Grundherrschaft entgegenzunehmen und auf vorgebrachte Klagen Rede und Antwort zu stehen. Das Gericht setzte sich zusammen aus dem beim Pflegamt angestellten Richter und zwölf Schöffen. Die Schöffen sollten zur Hälfte aus Bürgern von Lichtenau, zur anderen Hälfte aus den übrigen zugehörigen Orten genommen werden. Doch wurde diese Ordnung nicht streng durchgeführt; denn 1590 finden wir z. B. nur vier Lichtenauer Schöffen neben zwei aus Sachsen, zwei aus Volkersdorf, drei aus Immeldorf und einen aus Rutzendorf. Die Schöffen wurden jährlich von der Herrschaft in Lichtenau bestellt auf Vorschlag der alten Schöffen. Im Jahre 1648 werden neben dem Gerichtsschreiber Leonhard Haydelfelder (= Heidingsfelder) folgende Schöffen erwähnt: Hans Haydelfelder, Leonhard Leuchs, Hans Schmidt, Valentin Mayerhöfer, Georg Halbritter, Leonhard Lotter, Martin Bergner, Hans Beuschel, Georg Warter, Michael Brodwolf, Michael Kaufmann.

 Zum Vollzug ausgesprochener Strafen diente der „Stock“, d. i. das Gefängnis in einem Turm zu Lichtenau, wobei die Füße, manchmal auch die Hände, zur Verschärfung der Strafe in einem Holzstock festgelegt werden konnten. In dringenden Fällen wurden Gesetzesübertreter auch ohne gerichtliche Verhandlung in polizeiliche Haft „bei Wasser und Brot“ genommen. Vielfach wurden nur Geldstrafen verhängt. Waren diese für bestimmte Fälle, z. B. für Forstfrevel, für Übertretung polizeilicher Vorschriften u. ä. schon im voraus angedroht, so wurden sie ohne weitere Verhandlung eingezogen.

 Für die markgräflichen Untertanen übte das Hofkastenamt die grundherrliche Gerichtsbarkeit, für die Untertanen des Gumbertusstiftes das Stift selbst, später das Stiftsamt. Ähnlich