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VIII. Volkskundliches

1. Kirchliche Sitten und Unsitten

 Wie es in vergangener Zeit damit bestellt war, ist schon in dem Abschnitt über die „Kirchliche Ordnung“ eingehend dargestellt worden (S. 219). Hier soll nur einiges nachgeholt und vor allem die Gegenwart behandelt werden.

 Die Taufen werden gegenwärtig schlicht und einfach gehalten, wie es der kirchlichen Art entspricht. Gute alte Sitte ist es, die Kinder womöglich am Sonntag zur Taufe in die Kirche zu bringen. Haustaufen sind nur in Notfällen üblich. Bei unehelichen Kindern wurde vordem das Geläute verweigert, wird aber jetzt gewährt, da man die Kinder nicht für die Fehltritte der Eltern büßen lassen will.

 Bei Hochzeiten wird ebenfalls jede Ausartung vermieden. Die Trauung im Gotteshause ist auch nach der Einführung der Zivilstandsgesetzgebung im Jahre 1876 regelmäßige Ordnung geblieben. Die alte Sitte, daß gefallene Brautleute ohne Kranz, Schleier und Strauß erscheinen, ist in den Städten schon seit längerem aufgegeben worden und verschwindet auch auf dem Lande mehr und mehr. Ein alter Aberglaube ist es, daß der Braut- und Hochzeitswagen in der Zeit von 11–12 Uhr und vor allem während des Zwölfuhrläutens nicht unterwegs sein dürfe, da sonst Unheil drohe; doch gibt es nur noch wenige Leute, die darauf achten. Dagegen kommt immer noch die Sitte vor, daß die Brautleute auf ihrem Weg vom Gotteshause heimwärts aufgehalten werden und sich durch das Auswerfen von Geldstücken gleichsam loskaufen müssen. Mehr scherzhaft wird die Meinung vertreten, wer von den beiden Brautleuten zuerst das Haus betritt, wird Herr im Hause sein. Beim Hochzeitsmahl erhalten öfters die Brautleute nur einen Teller vorgesetzt, aus dem sie gemeinsam zu essen haben, zum Zeichen, daß sie fortan einträchtig zusammenleben und gleichsam aus einer Schüssel essen müssen. Daß Ehen nur bei zunehmendem Monde zu schließen seien, damit der Kindersegen nicht ausbleibe, wird kaum mehr beachtet und mit Recht als Aberglaube angesehen.

 Wenn ein Toter im Hause lag, war früher die Totenwache üblich. Nachbarn und Freunde kamen im Hause zusammen und hielten nachts die Wache. Dabei suchten sie sich die Zeit mit Gesprächen, mit Spielen, Trinken und anderem zu vertreiben und es ging oft nichts weniger als würdig zu. Es war deshalb wohlgetan, daß dieser Brauch abgestellt wurde. Weiter hielt man einst streng darauf, daß kein Vieh eingespannt wurde, solange der Tote im Hause lag. Wenn der Sarg