Seite:George Sand Indiana.djvu/114

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„Sie sind ein Kind,“ sagte er in leichtem, scherzendem Tone, indem er ihr mit lächerlicher Sorgfalt den Mantel umhing. „Warten Sie, ich werde Ihnen einen Wagen besorgen. Wenn ich könnte, würde ich Sie selbst nach Hause bringen, aber das hieße nur, Sie ins Unglück stürzen.“

„Und glauben Sie nicht, daß ich schon verloren bin?“ sagte sie mit Bitterkeit.

„Nein, Geliebte,“ erwiderte Raymon, dem jetzt nur noch daran gelegen war, daß sie ihn in Ruhe ließ. „Sie brauchen ja nur vorzugeben, bei Ihrer Tante Schutz gesucht zu haben; sie wird alles ausgleichen. Man wird glauben, Sie hätten die Nacht bei ihr zugebracht.“

Frau Delmare hörte ihn nicht. Mit gedankenlosem Blick sah sie die Sonne groß und rot über einen Horizont von glänzenden Dächern emporsteigen. Raymon versuchte, sie aus dieser Starre zu wecken. Sie wandte ihre Augen auf ihn, schien ihn aber nicht zu erkennen. Ihre Wangen hatten eine grünliche Farbe und ihre Zunge schien gelähmt.

Raymon ward von Furcht erfaßt. Er gedachte des Selbstmordes der anderen. Vor dem Gedanken zurückschaudernd, zum zweitenmal zum Verbrecher zu werden, führte er Indiana sanft zu seinem Lehnstuhl, schloß sie ein und begab sich nach der Wohnung seiner Mutter hinauf.


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George Sand: Indiana. Karl Prochaska, Leipzig [u.a.] [1904], Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:George_Sand_Indiana.djvu/114&oldid=- (Version vom 1.8.2018)