Seite:George Sand Indiana.djvu/125

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Am anderen Tage dachte er aber daran, daß ihm noch die Aufgabe zu erfüllen bliebe, die Achtung, wenn auch nicht die Liebe Indianas wiederzugewinnen. Er wollte nicht, daß sie sich rühmen könne, ihn verlassen zu haben, er wollte sie überzeugen, daß sie seiner höheren Vernunft und seinem Edelmut nachgegeben hätte. Er wollte sie noch beherrschen, nachdem er sie verstoßen hatte, und schrieb ihr:

„Ich komme nicht, Deine Verzeihung, liebe Freundin, für einige grausame oder verwegene Worte zu erbitten, die mir in der Aufregung entschlüpft sind. Es ist nicht meine Schuld, wenn ich in Deiner Nähe das Feuer meines kochenden Blutes nicht bemeistern kann. Du warst zu vollkommen, um Dich zu den gemeinen Leidenschaften herabzuwürdigen, wie sie uns anderen, staubgeborenen Kreaturen anhaften. Ich habe Dir es oft gesagt, Indiana, Du bist keine Frau, ich verehre Dich in meinem Herzen wie eine Gottheit. Aber ach! in Deiner süßen Gegenwart nahm oft der alte Mensch seine Rechte wieder, und ich vergaß, daß Du ein Abglanz des Himmels bist, ein Traum ewiger Seligkeiten, ein Engel, vom Busen Gottes losgerissen, um meine Schritte in diesem Leben zu leiten und mir von den Freuden eines anderen Daseins zu erzählen. Warum, reiner Geist, hattest Du die verführerische Gestalt eines Weibes angenommen? Warum, Engel des Lichtes, hattest Du Dich mit den Lockungen der Hölle geschmückt? Oft glaubte ich das Glück in meinen Armen zu halten, und Du warst nur die Tugend.

„Verzeihe mir, teure Freundin, ich war Deiner nicht würdig. Mein Herz leidet schmerzlicher als das Deine, durch den mutigen Entschluß, der Dich meinen Armen entführt. Ja, meine Indiana, Du hast die Kraft gefunden, dieses heroische Opfer zu bringen. Es vereinsamt meine Zukunft und vernichtet mein Dasein. Doch ich liebe Dich noch immer genug, um mein Schicksal ohne Klage zu ertragen; denn mein Glück ist nichts, das Deinige ist mir alles. Meine Ehre würde ich Dir tausendmal zum Opfer bringen, aber die Deinige ist

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George Sand: Indiana. Karl Prochaska, Leipzig [u.a.] [1904], Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:George_Sand_Indiana.djvu/125&oldid=- (Version vom 1.8.2018)