Seite:George Sand Indiana.djvu/134

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alten Vulkans, und betrachtete die untergehende Sonne, die den Duft der Atmosphäre in Flammen zu setzen und über die flüsternden Wipfel des Zuckerrohrs und die schroffen Wände der Klippen Gold- und Rubinenstaub auszuschütten schien. Der Anblick des Meeres, wie weh er ihr auch tat, bezauberte sie dennoch. Sie glaubte in nebelhaften Fernen die ’’Fata morgana’’ eines anderen Landes, das Bild einer ungeheuren Stadt zu erblicken und fühlte ihr Herz vor Freude schlagen, indem sie sich vorstellte, dies sei Paris, wo sie doch in Wirklichkeit die glücklichsten Tage ihres Lebens verbracht hatte. Dann bemächtigte sich ihrer ein seltsamer Schwindel. Vor ihren Augen verschwanden die Schluchten, welche sie vom Ozean trennten; sie glaubte über diesen dahinzufliegen und jenem Truggebilde entgegenzueilen. Das waren die einzigen glücklichen Augenblicke, auf die sich Indiana während des Tages freute. Bei ihr vereinigte sich alles in einer glühenden Sehnsucht nach einem Ziele, das weder Erinnerung noch Erwartung, weder Hoffnung noch Schmerz, sondern nur das Verlangen in all seiner verzehrenden Macht war.

Dagegen fühlte sich Ralph auf seinen Spaziergängen von den düsteren, versteckten Orten angezogen, wo der Hauch der Seeluft ihn nicht erreichen konnte; denn der Anblick des Ozeans war ihm ebenso verhaßt geworden, als der Gedanke, ihn noch einmal zu überschiffen. Frankreich war in seiner Erinnerung nur ein Ort des Fluches. Er suchte es mit aller Kraft zu vergessen und vermied sorgfältig jedes Wort, das an die Zeit seines dortigen Aufenthaltes erinnern konnte. Was hätte er nicht darum gegeben, diese entsetzliche Erinnerung auch aus Indianas Gedächtnis tilgen zu können! Aber er fühlte sich so unfähig dazu, so wenig geschickt und beredt, daß er Indiana lieber floh, als sie zu zerstreuen suchte. In dem Übermaß seiner zartsinnigen Zurückhaltung gab er sich nach wie vor den Anschein der Kälte und des Egoismus. Wer ihn mit allem Eifer durch Wälder und Gebirge streifen sah,

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George Sand: Indiana. Karl Prochaska, Leipzig [u.a.] [1904], Seite 134. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:George_Sand_Indiana.djvu/134&oldid=- (Version vom 1.8.2018)