Seite:George Sand Indiana.djvu/165

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

war sehr stürmisch und erst seit acht Tagen bin ich in Frankreich. Mein erster Gedanke war, zu Herrn von Ramière zu eilen, um mich nach dir zu erkundigen. Aber der Zufall führte mich mit seinem Diener zusammen, der dich eben hieher gebracht hatte. Ich fragte ihn nur nach deiner Wohnung und kam in der Überzeugung hieher, dich nicht allein zu finden.“

„Allein! Allein! Schändlich verlassen!“ rief Indiana. „Aber sprechen wir nicht mehr von diesem Menschen! sprechen wir niemals mehr von ihm! Ich kann ihn nicht mehr lieben, denn ich verachte ihn; aber ich will auch nicht daran erinnert werden, daß ich ihn geliebt habe, das hieße, auf meine letzten Augenblicke Schande und Vorwürfe häufen. O, sei mein tröstender Engel, du, der in allen schweren Stunden meines verfehlten Lebens mir die Freundeshand reichte. Erfülle erbarmenvoll deine letzte Sendung, sprich Worte der Zärtlichkeit und der Verzeihung, damit ich ruhig sterbe.“

Sie hoffte wirklich, zu sterben; aber der Kummer stählt die Lebenskraft. Indiana war nicht einmal gefährlich krank, sondern versank nur in einen Zustand völliger Gleichgültigkeit.

Ralph suchte sie zu zerstreuen; er führte sie nach Touraine und umgab sie mit allen Annehmlichkeiten des Lebens. Als er aber alle Hilfsmittel erschöpft hatte, ohne daß er auf diesem düsteren, gleichgültigen Gesicht einen schwachen Strahl der Heiterkeit hervorlocken konnte, beklagte er die Ohnmacht seiner Tröstungen und warf sich bitter vor, wie ungeschickt er in seiner Liebe sei.

Eines Tages fand er sie niedergeschlagener als je. Er wagte nicht, mit ihr zu sprechen, und setzte sich in traurigem Schweigen zu ihr. Da sagte Indiana, zärtlich seine Hand drückend:

„Ich tue dir sehr weh, armer Ralph, und du mußt viel Geduld mit mir haben. Die unsinnigste Anforderung könnte von der Freundschaft nicht mehr verlangen, als du für mich getan hast. Jetzt überlaß mich meinem Schicksal und beflecke dein reines, heiliges

Empfohlene Zitierweise:
George Sand: Indiana. Karl Prochaska, Leipzig [u.a.] [1904], Seite 165. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:George_Sand_Indiana.djvu/165&oldid=- (Version vom 1.8.2018)