Seite:George Sand Indiana.djvu/169

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Ruhe zog wieder in ihr gequältes Herz. Sie vergaß ihr vergangenes Leben, ihre Stirn wurde wieder heiter und ein Strahl der Gottheit schien in ihre blauen, fast melancholischen Augen übergegangen zu sein.

Eine ähnliche Veränderung ging in Ralphs innerem und äußerem Wesen vor; dieselben Ursachen hatten bei ihm fast dieselben Wirkungen. Sein schon lange im Schmerz erkaltetes Herz erwärmte sich in der belebenden Glut der Hoffnung. Seine Worte nahmen das treue Gepräge seiner Gefühle an und erst jetzt lernte Indiana seinen wahren Charakter kennen. Die heilige, kindliche Vertraulichkeit, die sie einander näher brachte, nahm dem einen seine peinliche Schüchternheit, der anderen ihre ungerechten Vorurteile. Zu gleicher Zeit schwand in Indiana die schmerzliche Erinnerung an Raymon, sie erblich vor Ralphs bisher ungekannten Tugenden, vor seiner erhabenen Reinheit. Je mehr Ralph in Indianas Augen wuchs, desto tiefer sank Raymon in ihrer Meinung, bis endlich die fortdauernde Vergleichung dieser beiden Männer jede Spur ihrer blinden, unglücklichen Liebe in ihrem Herzen vernichtet hatte.


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George Sand: Indiana. Karl Prochaska, Leipzig [u.a.] [1904], Seite 169. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:George_Sand_Indiana.djvu/169&oldid=- (Version vom 1.8.2018)