Seite:George Sand Indiana.djvu/85

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das Schweigen zu brechen, war Raymons Herrschaft bereits befestigt.

Ein unerwartetes Ereignis bedrohte die Zukunft des Obersten und seiner Gattin. Ein belgisches Handelshaus, auf welchem Delmares geschäftliche Existenz beruhte, hatte plötzlich Bankerott gemacht und der Oberst mußte, kaum hergestellt, schleunigst nach Antwerpen abreisen.

Da er noch schwach und leidend war, wollte Indiana ihn begleiten; aber Herr Delmare, der mit völligem Ruin bedroht und entschlossen war, allen seinen Verbindlichkeiten nachzukommen, fürchtete, seine Reise möchte den Anschein einer Flucht bekommen, und gleichsam als Garantie seiner Rückkehr wollte er seine Frau in Lagny lassen. Er weigerte sich sogar, Sir Ralph mitzunehmen, sondern bat ihn, zu Indianas Schutz zurückzubleiben, im Fall sie von ängstlichen Gläubigern gedrängt werden sollte.

Mitten unter diesen trüben Verhältnissen quälte Indiana nur die Möglichkeit, Lagny verlassen und sich von Raymon trennen zu müssen; doch er beruhigte sie, indem er versicherte, daß der Oberst in diesem Falle ohne Zweifel nach Paris ziehen würde. Er schwor ihr übrigens, ihr überall hin zu folgen, unter welchem Vorwande es auch sei, und die leichtgläubige Frau pries das ihren Gatten betroffene Unglück als ein Glück, da es ihr Gelegenheit gab, Raymons Liebe auf die Probe zu stellen. Er dagegen dachte nur an das Glück, seit sechs Monaten zum erstenmal wieder Gelegenheit zu haben, mit Indiana allein zu sein. In dieser Erwartung fand er sich jedoch ein wenig getäuscht, denn Ralph, der es mit der Stellvertretung des Obersten sehr gewissenhaft nahm, hielt sich vom Morgen an in Lagny auf und kehrte erst am Abend nach Bellerive zurück. Da er und Raymon eine Strecke den gleichen Weg hatten, so trieb Ralph seine Höflichkeit so weit, sich abends beim Aufbruch stets nach Raymon zu richten. Dieser Zwang wurde Raymon bald verhaßt und Indiana glaubte darin nicht allein

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George Sand: Indiana. Karl Prochaska, Leipzig [u.a.] [1904], Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:George_Sand_Indiana.djvu/85&oldid=- (Version vom 1.8.2018)