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Georgische übertragen. Nebenbei wurde auch in streng wissenschaftlicher Beziehung Bedeutendes geleistet, da besonders die Geistlichkeit mit der Abfassung oder Übersetzung philosophischer, naturwissenschaftlicher und historischer Bücher beschäftigt war.

Alle Dichterwerke des zwölften Jahrhunderts tragen deutlich den nationalen Charakter an sich, obgleich sie nicht ganz frei sind von der Beeinflussung des arabischen Geistes, zumal in der vorhergehenden Epoche die Araber über Georgien geherrscht und nicht wenig auf die Entfaltung der Wissenschaften und Dichtkunst in diesem Lande eingewirkt hatten. Nach ihnen fingen die Georgier an die persische Litteratur zu studieren und alle Schriftsteller des zwölften Jahrhunderts kannten die persische sowie auch die griechische Sprache. Ihre Geisteswelt war also keineswegs beschränkt und nach sicheren Thatsachen zu urteilen, standen die Wissenschaften damals in Georgien in hohen Ehren und wurden von den Königen eifrig gefördert. Um dieselbe Zeit entstand auch wahrscheinlich die georgische Staatschronik. „Kartlis zchowreba“ („Das Leben Georgiens“,) obgleich dafür keine unumstösslichen Beweise vorhanden sind, wie überhaupt die Quellen zur mittelalterlichen Geschichte Georgiens mehrfach unsicher sind.

Nach dem goldenen Zeitalter geriet mit dem Schwinden der politischen Macht dieses Landes auch seine Litteratur in Verfall, und wenn auch von Zeit zu Zeit ein schriftstellerisches Talent auftauchte so mangelte es ihm doch an Kraft einen nachhaltigen Einfluss auszuüben und inmitten des unaufhörlichen Kriegslärms war an keine Geisteskultur zu denken. So vergingen mehrere Jahrhunderte, während welcher das georgische Volk nur aus der Überlieferung die Namen seiner einstigen Dichter kannte, denn ihre Werke ruhten ungelesen in den Bibliotheken der Klöster. Viele der alten Handschriften gingen

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Arthur Leist: Georgien. Natur, Sitten und Bewohner. Verlag von Wilhelm Friedrich, Leipzig 1885, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Georgien._Natur,_Sitten_und_Bewohner.pdf/106&oldid=- (Version vom 1.8.2018)