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Wüstlinge zu bevölkern. Solche Niederlagen wiederholten sich in der letzten Zeit der Selbstständigkeit Georgiens so oft, dass das Land mitunter Jahrzehnte lang die Trauer nicht ablegte und kein Freudenstrahl das Leben seiner unglücklichen Bewohner erhellte. In solchen Zeiten des Missgeschicks wurden auch die Lieder der Georgier immer trauriger und trauriger, denn es sangen sie Witwen, Mütter, die ihrer Söhne beraubt waren, Kinder, die ihre Eltern verloren hatten. Und sie sangen sie auf den Schutthaufen ihrer Wohnungen, auf den Trümmern ganzer Städte und Dörfer, wo sie nimmermehr die Stimme ihrer Lieben vernehmen sollten, denn diese waren im Kampfe gefallen oder stöhnten in persischer oder türkischer Gefangenschaft.

Ebenso traurig klingen die Tisch- und Zechlieder, sei es auch, dass ihr Inhalt Frohsinn atme. Bei keinem georgischen Gastmahle oder Gelage fehlt der Gesang und sogar die Toaste und gewöhnlichen Trinksprüche sind in Reime gekleidet und werden von allen am Gelage teilnehmenden Männern gesungen. Beim Beginne des Gastmahles wählt man gewöhnlich einen Vorsitzenden, „Tolumbascha“, der Tafelordnung führt und dessen Obliegenheit es ist, die jedem der Tischgenossen zukommenden Toaste auszubringen. Beim Ausbringen des Toastes ruft man gewöhnlich: Auf die Gesundheit Wachtangs, Allawerdi sei mit dir! worauf geantwortet wird: Jakschi woll! (Glückliche Reise!). Es sind das tatarische Ausdrücke, die auf Grund eines historischen Ereignisses in der georgischen Sprache Eingang gefunden haben. Als Schach Abbas von Persien das durch langwierige Kämpfe mit seinen Nachbarvölkern erschöpfte Georgien mit Krieg überzog, verzagte der georgische König Georg IX. und konnte sich nicht entschliessen, dem mächtigen Perserheere offen in einer Feldschlacht gegenüberzutreten. Er schickte daher zu Abbas eine Gesandtschaft mit reichen Geschenken und versprach einen Tribut zu zahlen, wenn dieser sein Land verliesse. Als man Schach

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Arthur Leist: Georgien. Natur, Sitten und Bewohner. Verlag von Wilhelm Friedrich, Leipzig 1885, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Georgien._Natur,_Sitten_und_Bewohner.pdf/31&oldid=- (Version vom 1.8.2018)