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vier Kirchen, ein Tiergarten und ein umfangreicher Lustgarten. Mit ihm sind auch andere Paläste der Bagratidenfürsten verschwunden, sodass heute Tiflis fast nichts mehr von seiner königlichen Herrlichkeit besitzt, die ihm einst so grosse Bedeutung verlieh. Der Grund dieses Mangels an Baudenkmälern aus der Vergangenheit Georgiens ist hauptsächlich im Charakter der letzten Epoche der Unabhängigkeit dieses Landes zu suchen. In diesem Zeitraume war Georgien der Schauplatz fast ununterbrochener innerer Kriege wie auch häufiger und verheerender Überfälle von Seiten der Perser, sodass Tiflis im Laufe mehrerer Jahrzehnte den grössten Verwüstungen ausgesetzt war und ein bedeutender Teil seiner prächtigsten Gebäude zerstört wurde. Als um das Jahr 1800 die Russen das Land in Besitz nahmen, lag Tiflis teilweise in Trümmern und wenn es auch später wieder auferstand, wie das schon in früheren Jahrhunderten oft geschehen war, so erlangte es doch seinen früheren Glanz nicht wieder und das Ritterleben, das einst in seinen Mauern pulsiert hatte, war für immer erloschen. Dort, wo sich früher umfangreiche Gärten erstreckten, entstanden neue Häuser, deren Zahl heute schon so bedeutend ist, dass sie fast eine neue Stadt ausmachen.

Dauerhafter als die Stätten fürstlicher Pracht und weltlichen Prunkes waren die Denkmäler der Religiosität der alten Georgier, denn einige der noch heute bestehenden georgischen Kirchen in Tiflis stammen aus den ersten Jahrhunderten des Christentums. Die prachtreichste von ihnen ist die alte Domkirche, welche im fünften Jahrhunderte vom Könige Wachtang erbaut wurde und lange Zeiten hindurch der Sitz des Katolikos, des höchsten geistlichen Würdenträgers in Georgien war. Sie ist aus gelbem Steinmaterial aufgeführt und hat wie alle georgischen Kirchen nicht sehr hohe mit achteckigen Kuppeln versehene Türme. Ihre heutige Architektur und innere Ausstattung stammen aus späteren Zeiten, denn im dreizehnten

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Arthur Leist: Georgien. Natur, Sitten und Bewohner. Verlag von Wilhelm Friedrich, Leipzig 1885, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Georgien._Natur,_Sitten_und_Bewohner.pdf/38&oldid=- (Version vom 1.8.2018)