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Jahrhunderte wurde sie vom Sultane Dschelal-eddin, dann aber von Timur zerstört. Als im sechzehnten Jahrhunderte Schach Ismael Tiflis verheerte, wurde sie gleichfalls hart mitgenommen und vieler ihrer Kostbarkeiten beraubt. Bis heute noch wird in dieser Kirche ein für die Georgier wertvolles Kleinod aufbewahrt, nämlich ein von der heiligen Nina, der ersten Bekehrerin Georgiens stammendes, mit ihren Haarflechten gebundenes Kreuz aus Weinreben. Dieses Kreuz ist gewissermassen das Sinnbild der georgischen Nationalkirche, die zwar aus dem Schosse der griechisch-orientalischen entstanden ist und sich auch in ihren Grundsätzen von dieser nicht unterscheidet, doch später eine gewisse Selbstständigkeit erlangte und ihren eigenen Oberhirten im Katolikos von Georgien besass. Dank dieser Selbstständigkeit entwickelte sich auch in der georgischen Kirchenarchitektur ein besonderer Stil, dem allerdings griechisch-byzantinische Vorbilder zur Grundlage dienten. Nach der Vereinigung Georgiens mit Russland hat die russische Regierung die georgische Kirche mit der russischen vereinigt und seitdem verwaltet sie ein Exarch russischer Nationalität.

Um die Hälfte unseres Jahrhunderts wurde die Tifliser georgische Kathedrale fast gänzlich umgebaut, wodurch sie natürlich viel von ihrem altertümlichen Charakter verloren hat. Ausser ihr giebt es in Tiflis noch andere sehr alte Kirchen, von denen die Davidskirche der Erwähnung verdient. Sie steht auf einem Berge, der denselben Namen trägt und ist Dank dieser hohen Lage weithin sichtbar. Neben ihren Mauern befindet sich das Grabdenkmal des russischen Schriftstellers Gribojedow, des Verfassers des bekannten Lustspiels „Wehe dem, der Verstand hat!“ Wie Lermontow liebte auch Gribojedow das Zauberland Georgien und ihm galten alle Träume seiner letzten Lebensjahre. Auf diesem Denkmale hat seine Gattin, eine Georgierin, folgende Inschrift anbringen lassen: „Deine Werke

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Arthur Leist: Georgien. Natur, Sitten und Bewohner. Verlag von Wilhelm Friedrich, Leipzig 1885, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Georgien._Natur,_Sitten_und_Bewohner.pdf/39&oldid=- (Version vom 1.8.2018)