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schildert der Verfasser den Brand einer Petroleumgrube und zwar mit den treuesten Einzelheiten des Realismus. Der Held der Erzählung, der Besitzer grosser Petroleumquellen, Johannes Marutjanz läuft wie rasend umher und fleht seine Arbeiter an ihm doch die Gefälligkeit zu erweisen und sich zur Rettung seiner Fabrik in die Flammen zu stürzen, da sonst sein Geschäft zu Grunde gehen könne. Der cynische Eigennutz dieses Marutjanz erinnert stark an den Eigentümer des Sklavenschiffes von Heine.

Ein ähnlicher Realismus tritt in der dramatischen Litteratur der Armenier zu Tage, deren hervorragendster Vertreter, Gregor Sundukianz der ausgeprägteste Realist ist. Seine Bühnenstücke, die in den armenischen Theatern grossen Erfolg haben, obgleich man ihnen einen übertriebenen Pessimismus vorwirft, behandeln auch grösstenteils Vorwürfe, die dem Kaufmannsleben entnommen sind und meist dessen Schattenseiten ans Tageslicht fördern. Diesen scheinbar einseitigen Gegenstand weiss jedoch Sundukianz zu variieren, indem er seine Helden in den verschiedensten Lebenslagen und Verhältnissen aufsucht und stets dem Stücke eine neue Fabel zu Grunde legt. Seine Bühnenwerke haben Schwung, sind geschickt ausgearbeitet und entbehren nicht jener feinsinnigen Zusammenstellung der Handlung, die Spannung erregt.

Andere armenische Lustspieldichter verdienen weniger der Beachtung des Ausländers. Auch das armenische Drama hockt noch in den Kinderschuhen, obgleich die Geschichte der Armenier ziemlich reich an wirklich dramatischen Episoden ist und überhaupt das gesamte Leben dieses Volkes viel Stoff zu dramatischen Verarbeitungen bietet.

Im Ganzen genommen kämpft das armenische Theater noch um sein Dasein, obgleich es ihm weder an einem verhältnismässig reichhaltigen Repertoire, noch an erträglichen Darstellern fehlt. In der letzten Zeit zeigte sich

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Arthur Leist: Georgien. Natur, Sitten und Bewohner. Verlag von Wilhelm Friedrich, Leipzig 1885, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Georgien._Natur,_Sitten_und_Bewohner.pdf/48&oldid=- (Version vom 1.8.2018)