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auf den armenischen Bühnen sogar ein Künstler ersten Ranges, Namens Adamian, der besonders in Shakespeareschen Rollen ungewöhnliches leistet. Da ihm aber wahrscheinlich das vaterländische Theater nicht genügende Vorteile verspricht, tritt er nunmehr nur auf den französischen und italienischen Bühnen des Orientes auf.

Ausser der dramatischen Kunst wird bis heute noch keine andere von den Armeniern in dem Grade gepflegt, dass man ihrer Wirksamkeit in diesem Bereiche eine nationale Bedeutung beilegen könnte. So hat die Musik der Armenier noch nicht ihre künstlerische Entwicklung erreicht und in der Malerei ist Ajwasjan oder Ajwasowski, wie sein Name russifiziert heisst, ihr einziger namhafter Vertreter. Dieser bekannte Marinist darf wohl aber kaum als national-armenischer Künstler betrachtet werden, denn erstens will er wohl selbst nicht für einen solchen gelten und zweitens ist die See, der beständige Vorwurf seiner Gemälde, ein Armenien fremdes Element.

Überschaut man die gesamte geistige Thätigkeit der Armenier, so gelangt man zur Überzeugung, dass sie sich auf dem Wege rastlosen Fortschrittes befinden und die Förderung ihrer nationalen Kultur mit nachhaltiger Energie betreiben.

Das ist also das Volk, welches in Georgien neben der einheimischen Bevölkerung einen wichtigen Standpunkt einnimmt und augenscheinlich darnach strebt, sich im Lande das Übergewicht zu erringen. Möglicher Weise werden aber diese Bestrebungen nie ihren Endzweck erreichen, denn erstens ist die Zahl der Georgien bewohnenden Armenier zu gering, auf dass es ihnen möglich wäre endgültig den Georgiern die Vorherrschaft abzugewinnen und zweitens ist die nationale Kultur der letzteren schon zu einer solchen Stufe der Entwicklung gelangt, von wo der Rückschritt schwieriger als der Fortschritt zu sein pflegt. Nur in materieller Hinsicht ist die Konkurrenz mit

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Arthur Leist: Georgien. Natur, Sitten und Bewohner. Verlag von Wilhelm Friedrich, Leipzig 1885, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Georgien._Natur,_Sitten_und_Bewohner.pdf/49&oldid=- (Version vom 1.8.2018)