Seite:Georgien. Natur, Sitten und Bewohner.pdf/54

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Dome zu Kutais und Mzchet. Beide wurden von griechischen Baumeistern mit einem ungeheuren Aufwande von kostbarem Material und edlen Metallen aufgeführt und noch nach Jahrhunderten, als Georgien schon seine frühere Macht eingebüsst hatte, zeugten diese Gotteshäuser noch für den Unternehmungsgeist und den religiösen Sinn längst entschwundener Geschlechter.

Gegen Ende des elften Jahrhunderts fielen die Seldschuken in Georgien ein, aber trotz mehrmaliger Verheerungen, denen sie das Land überlieferten, war doch ihr Einfluss auf die Lage der Dinge nur ein geringer und schon dem Könige David, dem „Erneuerer“, dem Urgrossvater der Königin Tamara gelang es, sie vollständig zu vertreiben. Unter seiner Regierung erhob sich die Macht Georgiens noch mehr, aber ihren Gipfel erstieg sie erst unter der Königin Tamara, deren Zeit für Georgien die Zeit des höchsten Glanzes und Ruhmes war. Ihr Hof war ein Abbild des Hofes der Kalifen in dessen glänzendsten Tagen, denn ausser tapferen und siegestrunkenen Rittern bevölkerten ihn auch Dichter, deren bedeutendster der unsterbliche Verfasser des schönen Epos, „Der Mann im Tigerfelle“, Schota Rustaweli war.

Nach diesen Jahren des Glanzes lagerte bald trübe Nacht über Georgien, denn schon unter der Regierung der Tochter Tamarens, der lasterhaften Russudan, begann ein langes Drama, welches erst mit dem Untergange des Bagratidenreiches sein Ende erreichte. Was dieses Land in den folgenden Jahrhunderten gelitten, lässt sich schwerlich in kurzen Worten schildern, denn von nun an schwieg fast nie der Kriegslärm, selten erloschen die Feuersbrünste. Dieses Elend erlitt jedoch Georgien nicht nur von den beutegierigen Scharen der Perser, Türken und Tataren, sondern es erfuhr auch viel Unbill von seinen eigenen Söhnen, von eigenen Verrätern, eigenen Fürsten, deren mehrere die Saat früherer Helden vernichteten. Nach

Empfohlene Zitierweise:
Arthur Leist: Georgien. Natur, Sitten und Bewohner. Verlag von Wilhelm Friedrich, Leipzig 1885, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Georgien._Natur,_Sitten_und_Bewohner.pdf/54&oldid=- (Version vom 1.8.2018)